Anssi Antila ist ein junger spiritueller Lehrer in Berlin mit einer stets wachsenden Fangemeinde. Hier schreibt er über die Bedeutung und Praxis der Vergebung.
von Anssi Antila
Vergebung ist unbeliebt. Kaum einer mag sich mit diesem Thema beschäftigen, obwohl es eines der wichtigsten ist — in der Selbstheilung und in der Spiritualität. Von der Beziehungsfähigkeit ganz zu schweigen. Viele Heiler setzen Vergebung und Heilung sogar gleich. Sie sagen: Heilung ist Vergebung.
Vergebung ist essenziell und keinesfalls nur ein Randthema. Ich würde sogar behaupten: Ohne Vergebung kann es keinen Weltfrieden geben. Frieden und innerer Frieden sind ohne Vergebung nicht denkbar.
Daher lade ich dich ein, dich jetzt mit der Vergebung zu beschäftigen.
Die harte Liebe
Es gibt keine Zufälle in deinem Leben. Dein Leben ist eine Kette von Ereignissen, die dich zu dir selbst führen soll — zurück zu deinem höheren Selbst, zurück zu der Liebe, die du suchst. Auch wenn deine Erlebnisse alles andere als „liebevoll“ waren.
Das Leben nutzt alles, um dich auf den Weg zu dir selbst zu führen. Alle deine Krisen führen dich zu dir selbst. Das ist „harte“ Liebe — oder anders gesagt: Gnade. Sie ist nicht immer liebevoll, sie zeigt sich in Schicksalsschlägen, Krisen, Gewalt.
Vergebung bedeutet, dass du das anerkennst, statt gleich das ganze Leben zu verurteilen. Das Leben kann dich mit dem Höchsten nicht beschenken, wenn du seine Wege verurteilst.
Leid ist Unbewusstheit
Um dir selbst zu vergeben, musst du eines verstehen: Die Entscheidungen, die du getroffen hast, haben dich zu deinen Schicksalsschlägen geführt. Hast du es bewusst getan? Nein, natürlich nicht. Kein Mensch wählt sein Leid bewusst, dennoch wählt er es.
Alles, was geschieht, hast du mitbestimmt. Daher bist du für die Konsequenzen verantwortlich. Immer! Auch wenn es so aussieht, als könntest du gar nichts dafür.
Daher ist Vergebung wichtig. Sie ist wichtig, weil du dein Leid selbst verursacht hast.
Ich wiederhole: Du hast es nicht bewusst, sondern unbewusst getan. Wäre es dir bewusst gewesen, dann bräuchtest du dir nicht zu vergeben. Aber du hast unbewusst Leid erschaffen. Dafür solltest du dir vergeben.
Der Sinn der Vergebung
Vergebung ist ein irrationaler Akt. Warte daher nicht auf gute Gründe, um zu vergeben.
Vergebung ist nicht logisch. Vertrauen und Demut sind der Schlüssel.
Vertraue darauf, dass alles, was in deinem Leben geschah, aus Liebe geschah. Es geschah, weil das Leben dich liebt. Es geschah, weil du ein sehr mächtiges Wesen bist und das Leben deinem Willen folgt — nur hast du diesen Willen nicht immer zu deinem Nutzen eingesetzt.
Dafür solltest du dir vergeben.
Sag innerlich: „Es tut mir leid, dass ich mir Leid erschuf.“ Manchmal steigt dann Reue in dir auf. Diese Reue gilt es auszufühlen, bis sie sich von alleine auflöst. Dauer: 10 bis 60 Minuten — nicht länger.
Nach der Reue oder unmittelbar nach der Vergebung spürst du eine Erleichterung. Denn du wirst tatsächlich leichter, energetisch leichter. Warum?
Weil du dich von deinen Erinnerungen befreist, und zwar nicht von deinen mentalen Erinnerungen, sondern von deinen emotionalen Erinnerungen. Schließlich hast du auch ein emotionales Gedächtnis, das manche Chakra nennen.
Dein emotionales Gedächtnis zu reinigen, das ist der Sinn der Vergebung.
Warum du vergibst
Warum solltest du dein emotionales Gedächtnis reinigen?
Zum einen, weil dein emotionales Klima eine der wichtigsten Ursachen für Krankheiten ist. Zum anderen, um nicht neues Leid zu erschaffen. Denn alle gespeicherten negativen Gefühle wirken wie Magnete für leidvolle Ereignisse: Du ziehst sie an, wenn du nicht vergibst.
Das Ego denkt, es wäre umgekehrt. Das Ego denkt: Wenn ich alles unterdrücke und nicht vergebe, bekomme ich eine harte Schale und es geschieht mir nichts.
Doch das ist falsch. Es ist umgekehrt: Die harte Schale zieht weitere „Schläge“ an. Das muss so sein. Anders kann dich das Leben nicht zurück in die Liebe führen. Es muss deinen Panzer durchbrechen, weil du nur in die Liebe kommst, wenn du verletzlich bist und bleibst.
Solange du einen Panzer trägst, bist du für die höheren Schwingungen gänzlich unsensibel. Daher wird das Leben alles versuchen, bis dein Panzer bricht. Das nenne ich „harte Liebe“. Verurteile das Leben nicht dafür. Es ist immer auf deiner Seite.
Warum ist Vergebung so schwer
Um zu vergeben, musst du eine Ordnung akzeptieren, die du nicht verstehst. Dazu gehört Demut, denn die Ordnung ist höher als deine Moral.
Es fällt vielen Menschen ungeheuer schwer, zu vergeben, weil es für ihr Ego keinen Sinn ergibt. Für das Ego bedeutet Vergebung einen Machtverlust, weil du durch die Vergebung akzeptierst, dass es eine höhere Gerechtigkeit gibt, die dein Ego nicht bestimmen kann.
Für das Ego ist Vergebung unattraktiv, weil es gerne die Wunden der Vergangenheit missbraucht, um andere zu kontrollieren. „Wie kannst du es wagen, nachdem ich so einen schweren Schicksalsschlag erlebt habe …“ So spricht das Ego, das nicht vergeben hat. Es kann nicht verstehen, dass „schlimme Ereignisse“ aus Liebe geschehen.
Das Ego rechtfertig auch seinen persönlichen Rache-Feldzug, indem es nicht vergibt: Ich wurde verletzt, also darf ich auch andere verletzen; ich darf andere grundsätzlich schlechter behandeln, als ich gerne selbst behandelt werden möchte. Zumindest kann ich „fremde“ Menschen schlecht behandeln.
Vergebung setzt dem ein Ende, weil du so sensibel wirst, dass du keinem Menschen mehr Leid antun kannst. Und das will das Ego nicht. Denn in vielen Strukturen musst du unsensibel sein, um erfolgreich zu sein. Die Ausübung vieler Berufe wäre nicht denkbar, wenn der Einzelne beispielsweise nicht mehr lügen könnte, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Denk mal darüber nach.
Wenn du intuitiv spürst, dass alles einen Sinn hat, und die göttliche Gerechtigkeit in Demut akzeptierst, dann kannst du vergeben. Dann sag innerlich: „Auch wenn ich es nicht verstehe, ich vertraue darauf, dass alles einen Sinn hat. Ich vergebe mir dafür, dass ich mir Leid erschuf.“
Der genaue Wortlaut ist dabei nicht wesentlich. Du kannst dir frei überlegen, was du sagst. Was immer sich für dich stimmig anfühlt. Wichtig ist, dass du es dir wirklich innerlich sagst oder es laut aussprichst: „Ich vergebe mir“. Und es vor allem auch so meinst!
So schwer ist das nicht.
Keine halben Sachen
Wisse: Halbherzige Vergebungen werden nicht akzeptiert. Vergebung ist ein Eid. Du versprichst dir selbst, die leidvolle Geschichte loszulassen und sie nicht mehr als Rechtfertigung für dein Handeln und Denken zu missbrauchen.
Dazu gehört, dass du nicht mehr über das Vergangene nachdenkst und auch nicht mehr darüber sprichst — so als wäre es nie passiert. Ohne Ausnahme! Und du begegnest dir selbst auch so, als wäre es nie passiert. Andernfalls kann man nicht von Vergebung sprechen.
Vielleicht kennst du das: Du streitest dich mit jemandem. Dann versöhnst du dich und alles scheint wieder gut. Aber beim nächsten Streit mit derselben Person — zu einem ganz anderen Anlass — holt einer der Streithähne das vorherige Streit-Thema wieder hervor, um Schuldgefühle beim anderen zu provozieren. Letzteres nennt man übrigens emotionale Erpressung.
Wenn alte Geschichten, die nichts mit dem aktuellen Streit zu tun haben, plötzlich hervorgehoben werden, hat nach dem ersten Streit keine wirkliche Vergebung stattgefunden. Denn Vergebung heißt: Dieses Ereignis ist jetzt abgeschlossen und ich begegne dem anderen so, als wäre es nie passiert. Andernfalls kann man nicht von Vergebung sprechen.
Ob du dir selbst vergibst oder deinem Nächsten, spielt keine Rolle. In der Wahrheit gibt es keinen „Anderen“. Alles bist du selbst.
Vergebung gleich Akzeptieren?
Vergebung heißt nicht, dass man jedes Verhalten akzeptieren muss. Ganz im Gegenteil: Vergebung heißt, dass man Reue empfindet, um ein Fehlverhalten nicht zu wiederholen.
Falls sich also jemand bei dir entschuldigt und du ihm vergibst, der andere aber sein Fehlverhalten wiederholt, hat er sich nicht wirklich entschuldigt.
Du kannst einmal vergeben, zweimal vergeben, aber spätestens beim dritten Mal solltest du dir Gedanken machen, ob du das Verhalten des anderen weiter tolerieren willst. Denn es ist kein Akt der Selbstliebe, seine eigene Würde nicht zu achten.
Umgekehrt gilt das genauso: Wenn du dich entschuldigst, dann nur aus Reue, um etwas nicht zu wiederholen. Nur das ist eine echte Entschuldigung. Und nur sie ist es wert, dass dir vergeben wird.
Manche Menschen denken, dass man jemanden, dem man vergibt, auch mögen oder eine Beziehung mit ihm führen muss. So ist das nicht. Du musst einen Menschen nicht mögen, um ihm zu vergeben. Du musst auch keine Beziehung mit demjenigen führen, dem du vergibst.
Vergebung bedeutet einfach nur, dass du dich von deinen emotionalen Erinnerungen löst. Erinnerungen, die dir selbst schaden. Befreist du damit auch den anderen? Ja. Musst du ihn deshalb mögen? Nein.
Spielt es eine Rolle, ob derjenige weiterhin in deinem Umfeld bleibt oder in deinem aktuellen Leben anzutreffen ist? Nein. Du musst allen Menschen aus deiner Vergangenheit vergeben, um emotional frei zu werden. Zeitliche und räumliche Distanzen sind unerheblich, da die Erinnerung in dir wohnt.
Wenn du die Kraft hast, solltest du umgekehrt auch bei allen Menschen Vergebung suchen, denen du Leid verursacht hast. Das vergessen wir gerne, weil wir uns lieber als Opfer statt als Täter sehen, obwohl wir immer beides sind.
Wir wissen nicht, wie viele Menschen sich unseretwegen in Therapie befinden. Einfach nur, weil wir es versäumt haben, um Entschuldigungen zu bitten. Zeit heilt keine Wunden. Vergebung heilt Wunden.
Wenn du dich für den Frieden einsetzen willst, kontaktiere alle Menschen, denen du Leid zugefügt hast und bitte um Entschuldigung. Das ist wahrer Friedens-Aktivismus und hat mehr Wirkung als alle Demonstrationen der Welt.
Vergebung ist Heilung, weil du dich von deinen emotionalen Erinnerungen befreist. In Demut akzeptierst du die höhere Gerechtigkeit. Aber was ist die höhere Gerechtigkeit?
Alles, was dir passiert ist, ist höhere Gerechtigkeit, weil alles dich zu dir selbst führt. Im Moment des Geschehens kannst du das nicht verstehen, aber hinterher wirst du für alles dankbar sein, was dir geschah. Es gibt keine höhere Erfüllung im Leben als die Selbsterkenntnis = Erleuchtung. Daher ist alles, was geschieht, gerecht. Es passiert im Sinne deiner Erfüllung.
Das bedeutet nicht, dass du jedes Verhalten akzeptierst, welches die Würde des Menschen missachtet. Du kannst vergeben und dich selbst achten. Du kannst vergeben und nichts mehr mit einem bestimmen Menschen zu haben wollen. Das ist kein Widerspruch.
Zusammenfassung
Vergebung erfordert ein Ritual — und sei es auch nur ein Gebet.
Vergebung löscht dein emotionales Gedächtnis und damit auch eine verzerrte Wahrnehmung der Realität. Denn solange du nicht vergibst, werden dich ähnliche Dinge, Geschichten oder Ereignisse immer an deine Wunden erinnern. Folge: Du siehst die Dinge durch den Filter deiner Wunden, statt sie so zu sehen, wie sie wirklich sind. Das ist verzerrte Wahrnehmung.
Man könnte auch sagen: Vergebung löscht das Karma — die Ursache für zukünftige Konflikte, die durch emotionale Erinnerungen angezogen werden.
Vergib nach Möglichkeit immer dir UND dem anderen, denn du bist auch der andere.
Reue auszufühlen ist gut, sich in Schuldgefühlen zu suhlen nicht. Schuld ist ein mentales Konzept und sollte nicht mit Reue gleichgesetzt werden. Schuld ist ein Manipulations-Instrument, ein mentales Gefängnis. Reue ist eine intuitive Empfindung, die dir sagt, dass du eine Disharmonie in dir und damit in der Welt erzeugt hast.
Denk daran, dass dein höheres Selbst unverwundbar ist. Es ist unschuldig wie die Seele eines Kindes. Alles Leid dient nur dazu, dass du deine Unschuld zurückgewinnst, indem du erkennst, was du wirklich bist.
Falls es dir schwerfällt, zu vergeben, bitte innerlich um die Kraft der Vergebung. Wende dich an dein höheres Selbst und sag: „Bitte gib mir die Kraft zu vergeben.“ Dann wird die Kraft kommen und du wirst später bereit sein, die üblen Geschichten loszulassen.
Unterschätze nicht die Kraft der Vergebung — auch wenn sie nicht mit großen innerlichen Ereignissen einhergeht. Wenn du sensibel genug bist, wirst du bei der Vergebung sofort eine energetische Erleichterung spüren, die wir oft so beschreiben: „Mir wurde viel leichter ums Herz.“
Wenn das nicht passiert, heißt das nicht, dass die Vergebung nicht wirkt. Das Einzige, was nicht wirkt, ist Halbherzigkeit. Du musst es ernst meinen. Und dazu gehört vor allem, dass du die leidvolle Geschichte nach der Vergebung ad acta legst. Sie wird nicht mehr aus dem Keller geholt.
Vergebung bedeutet: Ende der Geschichte.
In Liebe
Anssi
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3 Kommentare
Gute Zusammenfassung beim ersten Lesen Colin Davis Die perfekte Vergebung
Ho´opono pono in den besten Worten, in denen es in unserer Sprache beschrieben werden kann. Traumhaft lieber Anssi, ich danke Dir dafür. ♥
Mit einfachen, klaren, verständlichen Worten erklärt. Danke. Und es stimmt, nichts ist wichtiger als Vergebung, möchte man Frieden in seinem Herzen fühlen.