Die Psychologin Gabi Poerner zeigt, wie wir mit Stress umgehen und zur Gelassenheit finden können.
Ein Interview von Christian Salvesen
Frau Dr. Poerner, Ihr aktuelles Buch hat den Titel „Der Weg zur Gelassenheit. Mit Druck und Stress positiv umgehen.“ Wie sind Sie auf das Thema Gelassenheit gekommen? Was bedeutet es für Sie persönlich?
Ich bin auf das Thema gekommen, weil fast alle Teilnehmer in meinen Trainings und Coachings über Stress und Druck ganz allgemein klagen. Das Thema interessiert mich schon sehr lange, wohl auch deshalb, weil ich überhaupt nicht gelassen war. Wie komme ich zur inneren Ruhe? Für mich bedeutet Gelassenheit nicht, dass ich da stets gelassen sitze, sondern: Ich bin auf dem Weg. Dass ich mehr und mehr Abstand gewinnen kann zu den Dingen und mehr bei mir bleiben kann. Dass ich sagen kann: „Okay, so ist die Situation“, ohne mich damit zu identifizieren, sodass ich sie als solche wahrnehmen kann. Weil ich bei mir bleibe, habe ich dann verschiedene Möglichkeiten zu agieren.
Wenn ich nicht gelassen bin, dann springe ich auf Knopfdruck an, bin mit der Situation und den Dingen identifiziert, bin dann eher getrieben. Und das ist genau das, was ich nicht will.
Sie haben im Buch die 10 Regeln der Gelassenheit von Papst Johannes XXIII präsentiert, wo bei jeder stark betont wird, dass es immer nur um heute geht. Wie sind Sie auf diese inspirierenden Regeln gestoßen?
Ich hatte ein Training in einem Kloster und mich vorher mit einem Priester dort unterhalten – was ist in unserer Gesellschaft los, warum muss alles immer schneller gehen und perfekt sein, wie kommen wir zu mehr Gelassenheit – und er fragte mich, ob ich die berühmten zehn Gebote der Gelassenheit kennen würde. Er konnte sie auswendig hersagen. Ich fand sie daraufhin überall im Internet, hatte aber vorher noch nie davon gehört.
Johannes spricht in seinen Regeln auch Aspekte an, die ich nicht auf Anhieb mit Gelassenheit verbinden würde, zum Beispiel Überwindung. Da heißt es: „Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe. Sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.“ Ist das nicht überraschend?
Ich denke, dass es ganz wichtig ist, Aufgaben zu übernehmen, wo du dich überwinden musst. Viele Leute schieben das vor sich her, und das macht Stress. Wenn du aber sagst: „Okay, das mach ich jetzt!“ – unabhängig davon, ob du Lust dazu hast oder nicht, dann überwindest du eine Hürde und bist anschließend zufrieden mit dir selber. Du merkst auch, so schlimm war es ja gar nicht und hast mehr Handlungsspielraum bekommen. Wenn du das immer wieder machst, stärkst du letztlich dein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Dadurch, dass du nicht davon läufst, bist du zunehmend in der Lage, die Dinge wahrzunehmen und anzunehmen – als Aufgabe, die jetzt ansteht, ohne dagegen einen Widerstand aufzubauen.
Der Schlüssel liegt offensichtlich im Jetzt, im Moment zu sein.
Ja, wobei ich mir schon Ziele setze. Doch ich schau eben immer: Was kann ich jetzt tun? Andererseits: Wer zu sehr Ziel fixiert ist, setzt sich unter Druck.
Kommen eigentlich auch Menschen mit Burnout zu Ihnen, mit heftigen Symptomen wie Kopfschmerzen, und die nicht wissen, woran es liegt?
In den vergangenen Jahren sind fast nur noch Menschen zu mir gekommen, die in Richtung Burnout gedriftet sind. Und die nicht wussten, wie es überhaupt zu dem Burnout gekommen ist. Ich musste den Klienten zunächst klarmachen, dass es mit ihren Überzeugungen zu tun hat. Überzeugungen wie: „Nur wenn ich viel leiste und perfekt bin werde ich anerkannt“. Und es sind ja eben gerade die vom Burnout betroffen, die tatsächlich sehr viel leisten. Es ist ein Spiel scheinbar ohne Grenzen. Wenn du schnell bist, willst du immer noch schneller und effektiver sein. Es bleibt immer weniger Zeit, einmal tief durchzuatmen und zu schauen: Hey, was tut mir gut? Die Leute setzen sich dermaßen unter Druck und meinen, sie müssten das alles schaffen. Sie merken dabei nicht, dass sie auch ein Gegengewicht brauchen. Es ist ganz wichtig, dass du auch immer wieder deine Batterien auflädst.
Und da kommt die Meditation ins Spiel?
Ganz richtig. Und die Achtsamkeit. Ich selbst schätze sehr die „One Moment Meditation“, ein kurzes Innehalten, eine Minute, die empfehle ich gerade Menschen, die in ihrem Job besonders herausgefordert werden. Für die ist es ganz wichtig, langsamer zu werden. Wir üben das auch: sich selber wahrzunehmen. Mein Eindruck ist: Je mehr du Richtung Burnout driftest, desto weniger nimmst du dich wahr.
Ist es nicht eigenartig, das wir uns damit so schwer tun, unsere Stärken zu sehen und anzuerkennen, und eher auf die Schwächen und Fehler fixiert sind? Woher kommt das?
Das ist zum Einen evolutionär bedingt. In den oft zitierten „Zeiten des Säbelzahntigers“ musste der Mensch ständig auf Gefahren achten. Das ist noch genetisch in uns drin. Die andere Seite ist, dass unsere Eltern uns immer wieder aus Sorge verboten haben, dies oder das zu tun. Wir sind von daher Problemfokussiert. Damit ist eine Motivation verbunden, von dem Problem weg zu kommen. Und was will ich stattdessen? Wie möchte ich ab jetzt in der gleichen Situation handeln? Okay, ich möchte ruhiger und gelassener sein. Und wann habe ich das schon mal erlebt? Es gibt ja die Erfahrungen von Kraft und innerer Ruhe, die muss ich wieder im Körper spüren. So stellen sich eine Zufriedenheit und mehr Selbstvertrauen ein. Wenn ich das übe, kann ich immer besser und schneller an meine inneren Stärken andocken und so herausfordernde Situationen immer besser meistern. Und natürlich werde ich immer wieder im Stress sein. Na und?
Worauf ist vor allem zu achten auf dem Weg zur Gelassenheit?
Unsere ganze Gesellschaft wird immer schneller. Wir hecheln atemlos hinterher, durchs ganze Leben, und da ist es enorm wichtig, dass du immer wieder auf dich selber achtest und gut für dich selber sorgst. Bereits Anfang der 80ger Jahre habe ich Verlagen ein Buch zum Thema Selbstliebe angeboten, was damals als lächerlich abgelehnt wurde. Heute erscheint es fast selbstverständlich: Nur wenn ich mich selber wertschätze, kann ich andere wertschätzen und wirklich kreativ sein. Doch es ist in der Praxis überhaupt nicht selbstverständlich. Es wird immer noch – aus unserer Erziehung heraus – als Egoismus verurteilt, wenn ich zum Beispiel „Nein“ sage zu etwas, was mir nicht gut tut. Selbstmitgefühl ist als Gegengewicht zu dem inneren Kritiker extrem wichtig. Mitgefühl mit mir, gerade wenn etwas nicht gelingt. Es geschieht halt, das gehört mit zum Leben, zu den Erfahrungen, die jeder von uns macht.
Gelassenheit zählte bereits in der Antike zu den wichtigsten Tugenden, etwa bei den Stoikern. Ist es nicht erstaunlich, dass wir uns gerade heute wieder an diesen traditionellen Werten orientieren?
Ja, ich finde, wir brauchen Gelassenheit als Gegengewicht zu unserer stressigen Welt. Immer wieder den Abstand zu den Dingen gewinnen und sich selbst zu fragen: Wo bin ich denn gerade in diesem Moment? Welche Bedürfnisse habe ich? So kann ich der allgemeinen Tendenz, dass der Mensch zum funktionierenden Ding, zum Objekt gemacht wird, entgegenwirken. Damit wir uns selber nicht verdinglichen. Dass wir wirklich immer wieder wahrnehmen: Ja, ich bin ein Mensch und kein Roboter. Ich bin mehr als das, was ich tue. Tun ist nötig, aber das Sein ist allumfassend. Darauf zu achten ist eine Lebensaufgabe, die nie langweilig wird.
Die 10 Regeln zur Gelassenheit von Johannes XXIII:
- Leben
- Sorgfalt
- Glück
- Realismus
- Lesen
- Handeln
- Überwinden
- Planen
- Mut
- Vertrauen
Infos zum Buch:
Gabi Pörner: „Der Weg zur Gelassenheit: Positiv mit Druck und Stress umgehen“
Umfang: 304 Seiten
Verlag: Allegria, 2015
Preis: € 16.99
ISBN: 978-3793422921
Hier können Sie das Buch bestellen.
Über Dr. Gabi Pörner:
Sie ist Psychologin, Autorin, Expertin für effektive Selbstführung, Persönlichkeitsentwicklung sowie Veränderungskompetenz. Als Trainerin für verschiedene Unternehmen und hat sie internationale Trainingsprogramme in Namibia, Indien, Alaska und Slowenien durchgeführt. Außerdem ist sie als Business Coach für Führungskräfte und Privatpersonen tätig. Gabi Pörner ist ausgebildete NLP-Lehrtrainerin und kennt sich mit wirksamen Methoden zur Lösung von massivem Stress und Traumas besonders gut aus.
1 Kommentar
Gabi Pörner ist wirklich gelassen. Wenn Sie ein Buch über Gelassenheit schreibt, dann spricht Sie ganz authentisch aus eigener Erfahrung.
Wenn Sie Gelassenheit lernen wollen, dann ist das Buch der richtige Ratgeber. Noch besser ist es sich von Gabi Pörner coachen zu lassen.