„Ayahuasca ist eine Medizin, die uns helfen kann, mit unserer Seele in Kontakt zu treten und zu lernen, wer wir wirklich sind“, so Martin Zoller. Er machte sich auf die Reise in den Dschungel Südamerikas, um Schamanen und die Pflanze selbst kennenzulernen und zu erleben. In diesem spannenden Reisebericht erzählt er von seinen Erfahrungen und einer ungewöhnlichen Vision.
Zu diesem Thema ist ein gleichnamiger Dokumentarfilm entstanden.
Eine Abenteuerreise zum Ursprung der Seele
Die Reise zu den Ursprüngen der Ayahuasca-Pflanze beginnt für Martin Zoller mit einer Vision. „Ich befand mich plötzlich mitten im Regenwald“, erinnert er sich, „und da erblickte ich einen Adler, der sich in die Lüfte hob. Er flog in eine große Stadt.“ Später verstand der Seher und Remote-Viewing Experte, was die Vision ihm sagen wollte: „Der Adler war der Überbringer einer uralten Medizin – er brachte Ayahuasca in die moderne Gesellschaft.“ Und so begab sich Zoller dorthin, wo Ayahuasca seinen Ursprung hat. Dorthin, woher der Adler in seiner Vision gekommen war.
Gemächlich tuckert der Bus über eine unebene Landstraße in den Dschungel. Drinnen halten sich die Fahrgäste an den Sitzen fest, aus den Lautsprechern tönen ecuadorianische Volkslieder. Martin ist nach stundenlangem Flug froh, dass er überhaupt einen Bus in die Urwaldregion an der ecuadorianisch-kolumbianischen Grenze erwischt hat. Jahrzehntelang galt das Gebiet als Sperrzone für Ausländer. Wenige Monate zuvor waren die Zufahrtsstraßen noch von schwer bewaffneten Soldaten der FARC bewacht worden, einer kolumbianischen Guerillabewegung, die sich bis Juni 2016 einen blutigen Bürgerkrieg mit der Regierung lieferte.
Die letzten 30 Kilometer auf den verschlungenen Pfaden im Dschungel legt der Schweizer stehend auf der Ladefläche eines kleinen LKW zurück. Um nicht herunterzufallen, halten sich er und seine Reisebegleiterin Karina Luna an einer dort installierten Leiter fest. Auch Karina sehnt sich nach der langen, beschwerlichen Reise nach einem Bett. Die bolivianische Schamanin führt seit fünf Jahren Ayahuasca-Zeremonien in ihrem Land durch. Sie ist es auch, die den Kontakt zu den Einheimischen hergestellt hat.
Als sich das Auto dem Indianerdorf nähert, dämmert es bereits. Im Dorf angekommen erscheint ein Indianer in westlich anmutender Kleidung an der Tür. Herzlich begrüßt er Karina und Martin. Es ist Norman Luis Piaguaje, der jüngere der beiden Schamanen des Siona-Stammes. „Kommt gleich mit“, sagt er und macht dabei eine einladende Handbewegung, „wir machen heute Abend eine erste Zeremonie.“
Norman führt Martin Zoller und Karina Luna durch den pechschwarzen Urwald. Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtet er dabei einen winzigen Trampelpfad aus, während es in den Büschen und Sträuchern links und rechts raschelt. Nach wenigen Minuten stehen sie vor einer großen, einfachen Holzhütte auf einer künstlich angelegten Lichtung mitten im Dschungel. „Dies ist das Zeremonienhaus, die Maluca“, erklärt Norman.
Nun kommt ein älterer Indianer mit Federschmuck und rituellen Gegenständen um den Hals auf sie zu. Es ist Don Felinto Piaguaje, Normans Vater und der Oberschamane des Siona-Stammes. Höflich gibt der um die 70 Jahre alte Mann Martin die Hand und bittet ihn einzutreten. In der Maluca ist es dunkel. Eine Stunde lang liegen Martin, Karina und einige weitere Besucher in ihren Hängematten und lauschen den tropischen Vogelstimmen aus allen Richtungen. Dann werden sie zu Norman und seinem Vater Don Felinto gerufen.
Die beiden erfahrenen Schamanen beschreiben das Prozedere und geben Tipps: „Am besten ist es, sich für die Ayahuasca-Sitzung ein Thema vorzunehmen, das man bearbeiten möchte“, rät Don Felinto. Sein Sohn Norman fügt hinzu: „Wer sich übergeben muss oder ein Geschäft zu erledigen hat, geht bitte in diese Richtung“, und deutet mit seinem Arm hinter die Hütte. Schon bald wird Martin diesen Tipp zu schätzen wissen.
Dann entzünden die Schamanen Räucherwerk und stimmen rituelle Gesänge an, um das „Yahé“ zu beschwören – so nennen die Siona-Indianer ihr Gebräu. Bei diesem uralten Ritual werden die Ahnen angerufen, um während der Zeremonie Schutz und Hilfe zu leisten. Aus einem großen Topf verabreicht Norman dann jedem Gast ein kleines Glas, in dem sich die dicklich-braune Brühe befindet. Martin setzt das Glas an und trinkt es in einem Zug leer. Der Sud schmeckt bitter-säuerlich. Leicht benommen findet er seinen Weg zurück zur Hängematte. Dann ändert sich plötzlich alles…
Martin ist schlecht. Er springt auf und folgt Normans Wegbeschreibung hinter die Hütte, wo er sich zwischen den Sträuchern übergibt. Auch zu Durchfall soll es nach der Gabe von Ayahuasca immer wieder kommen. Beides empfinden die Konsumenten als befreiend und reinigend. Martin kehrt zu seiner Hängematte zurück und gibt sich der Erfahrung hin.
„Plötzlich tauchten meine Großeltern auf“, erinnert er sich. „Das war ganz real. Ich konnte sie wirklich sehen! Und dann lebte ich auf einmal nicht mehr dreidimensional, sondern wie in einem Hologramm. Meine Großeltern sahen so aus wie ich sie kannte, als sie alt waren. Sie haben mir ihre Präsenz gezeigt: Wir sind hier, wir gehören noch zu Dir. Da habe ich verstanden, dass sie gar nicht tot sind, sondern nur in einer anderen Dimension. Und was dann passierte, das war selbst für mich als Medium schon fast unglaublich!“.
Als die heftigsten Erfahrungen nachlassen, setzt sich Martin zu den beiden Schamanen Norman und Don Felinto, die inzwischen ein Feuer entfacht haben. Nachdenklich starrt der Ältere in die züngelnde Flamme. Früher sei hier alles anders gewesen, berichtet er. Alle Mitglieder seines Stammes trafen sich regelmäßig zu den Ayahuasca-Zeremonien. Die gemeinsame Erfahrung des Eins-Sein mit Allem stärkte das Gefühl, zusammen zu gehören, half dabei, Konflikte zu klären, Harmonie in der Gemeinschaft herzustellen.
Je nach Stamm unterscheidet sich die Zusammensetzung des psychedelischen Trunks ein wenig. Auch die Siona haben ihre Geheimnisse bei der Zubereitung, die sie nur mit wenigen teilen. Gringos – also solche wie Martin – gehören in der Regel nicht dazu. Doch tags darauf darf Martin den Schamanen Norman bei der Suche nach Ayahuasca-Bestandteilen begleiten. Geschickt klettert Norman zwei bis drei Meter einen Baumstamm hinauf. Mit einer großen Machete hackt er die Ayahuasca-Liane vorsichtig vom Baumstamm herunter.
Unten vor dem Baum hat Norman einen Plastiksack ausgebreitet, in den er die fertig zugeschnittenen Stücke hineinwirft. Mit dem vollen Sack auf dem Rücken geht es zurück zur „Küche“. Sie besteht aus einer an vier Holzpfeilern aufgespannten Plastikplane über einem großen Kochtopf, der auf eisernen Stangen über einer Feuerstelle steht. Dann gehen Norman und Martin erneut ins Dickicht. Ohne die Machete wäre hier kein Vorankommen möglich. Doch die Pflanze, die den psychoaktiven Wirkstoff von Ayahuasca enthält, wächst nur hier, an den unzugänglichsten Orten tief im Dschungel.
Endlich sind sie angekommen. Mit routinierten Handbewegungen zupft Norman einige Blätter von einem unscheinbar wirkenden Strauch: Chacruna nennen sie die Siona-Indianer. Die Pflanze mit der botanischen Bezeichnung Psychotria viridis enthält das psychedelisch wirksame DMT. Nur gemeinsam mit der Liane entfaltet der Ayahuasca-Trunk seine bewusstseinsverändernde Wirkung. Denn die darin enthaltenen Harman-Alkaloide sorgen dafür, dass der Körper DMT nur sehr langsam abbauen kann. Dadurch erweitern sich die Sinne, öffnet sich der Zugang zur Geisterwelt…
Vier Stunden sind Martin und Norman bereits im Dschungel unterwegs. Inzwischen haben sie einen großen Sack mit Chacruna-Blättern gesammelt. Martins Körper ist übersät mit Mückenstichen. Seltsamerweise scheinen sich die kleinen Blutsauger kein bisschen für Norman zu interessieren, der mit kurzen Hosen und ärmellosem Hemd kaum einen Stich aufweist. Eigentlich wäre es nun Zeit für eine kleine Siesta – doch die wirkliche Arbeit fängt jetzt erst an.
Mit einem groben Holzknüppel dreschen Norman und sein Vater auf die Lianenstücke ein, die vor ihnen auf einem Stein liegen. Im Inneren offenbaren die aufgeplatzten Stängel rosarot gefärbte Holzfasern. Auch Martin macht mit. Das laute Tack-tack des Holzknüppels ist bis weit in den Dschungel zu hören. Während Don Felinto das Feuer unter dem großen Kessel entfacht, wäscht Sohn Norman die Chacruna-Blätter und sortiert einige aus. Viele Blätter sind von Insekten löchrig gefressen.
Endlich sind alle Zutaten im Topf. Das Feuer lodert, der Sud köchelt vor sich hin. „Wie lange dauert es jetzt, bis es fertig ist?“, fragt Martin den Oberschamanen. „Mindestens sechs Stunden muss das kochen – manchmal braucht es tagelang“, antwortet Don Felinto und lächelt über seine ungeduldigen westlichen Besucher…
Martin wagt es, die Eintönigkeit mit einigen Fragen zu unterbrechen. Woher weiß man als Schamane, welche Pflanze im Dschungel gegen welche Erkrankung hilft? Don Felinto schaut auf: „Für uns ist der Yahé-Trank ein Lehrmeister. Wenn wir Yahé einnehmen, dann verstehen wir, dass die Bäume auch Personen sind. Dann verraten sie uns ihr Geheimnis.“ Der alte Schamane wirft ein Stück Holz ins Feuer und fährt fort: „Manchmal kennt ein kleiner Baum sehr viel Medizin, und er erzählt mir, wie man sie zubereitet, damit sie wirkt.“
„Also verbindest Du Dich mit den Bäumen und sprichst mit ihnen?“, fragt Martin ungläubig. Don Felinto antwortet: „Naja, wenn man Yahé nimmt, dann wird man selbst zu einem Baum und man redet sozusagen unter seinesgleichen. Er sagt dann: Ich bin für das und das gut, und du musst mich so und so vorbereiten.“ Martin betrachtet die Flammen, die unter dem Kessel vor sich hin züngeln. „Was muss man als Schamane mitbringen, um ein solches Wissen über die Heilkräfte der Natur zu erlangen?“, fragt er. „Man muss rein sein in seinem Leben und in den Gedanken“, erklärt Don Felinto vieldeutig, „und man darf keine Angst haben. Dann wird man von Yahé zur Erkenntnis geführt.“
Am Abend beginnt die zweite Ayahuasca-Zeremonie. Martin hat sich ein Ziel gesetzt: Er will versuchen, Prophezeiungen zu empfangen. Nachdem Don Felinto und Norman ihre Schamanenkleider angezogen und Räucherwerk entzündet haben, reichen sie ihm und anderen den Trank. Doch diesmal hält der Geist von Yahé unangenehme Bilder bereit.
Während Martin im Dunkeln in seiner Hängematte liegt und darauf wartet, dass die Wirkung einsetzt, spürt er, wie eine dickflüssige, klebrige Flüssigkeit aus seiner Hängematte steigt und ihn bis zum Hals eindeckt. Er schaut an sich herab. Es ist Öl. Erdöl. Das Gefühl wird derart unangenehm, dass er seine Hängematte verlassen muss. Draußen im Dschungel hat sich alles verändert.
Wo vorher Bäume standen, erblickt Martin nun eine riesige Industrieanlage. Statt Baumstämmen erblickt er Kamine, statt Ästen Rohrleitungen, statt Büschen gebogene Drähte. Der Waldboden unter ihm leuchtet phosphoreszierend – fast so, als bestünde er aus Neonröhren. Martin ist von diesem Anblick derart überwältigt, dass er in die Zeremonienhütte zurückkehren muss. Nach einer kleinen Meditation wagt er sich wieder hinaus in den Dschungel. Nun ist seine Vision plötzlich anders. Aus den Drähten und Kaminen sind riesige menschliche Schatten geworden. Menschen überall, wohin das Auge blickt.
Doch diese Menschen verhalten sich sonderbar: „Ich sah, dass der eine Baum, der einen Mann darstellte, immer so eine Bewegung machte, als wenn er etwas trinken würde. Gleichzeitig hat er auf sehr hohle und sinnlose Art mit einer Frau kommuniziert, die neben ihm war. Und dann haben die ganzen anderen Bäume ringsherum angefangen zu lachen oder miteinander zu diskutieren, aber ebenfalls auf eine sehr hohle und monotone Art. Da habe ich verstanden, dass all dies Teil der Prophezeiung war.“
Für Martin steht fest, dass er in jener Nacht einen Blick in die Zukunft der Menschheit warf. „Die Prophezeiung zeigte nicht irgendeinen dritten Weltkrieg, in dem die Menschheit ausgelöscht wird, aber trotzdem eine Warnung. Wir werden in eine technisierte Gesellschaft gehen, in der wir wie gehirnlos wirken, wo wir einfach trinken, rauchen und miteinander plaudern, aber zu keiner wirklich tiefen Auseinandersetzung mehr fähig sind, weder mit anderen noch mit uns selbst.“
Nachdenklich steuert er die letzten Etappe seiner Reise an – den Titicacasee, der größte und höchstgelegene Salzsee Südamerikas. Martin hat sich mit Ninnet Pereyra verabredet. Sie arbeitet als Psychologin in einer peruanischen Entzugsklinik. „Ayahuasca wird bei uns im Zusammenspiel mit anderen Therapieformen verwendet, um drogenabhängige Jugendliche auf einen neuen Weg zu bekommen“, berichtet sie ihm. „In La Paz zum Beispiel setzt man Ayahuasca erfolgreich ein, damit die Jugendlichen sich über ihre Situation klarwerden. Warum tue ich, was ich tue? Mit jeder Einnahme verstehen sie immer besser, wie sie abhängig werden konnten und lernen, sich zu hinterfragen: Was macht die Droge mit Dir? Aus welchem Grund nimmst Du sie? Wie gehst Du mit den Mitmenschen um? Was ist es, das Dir schadet?“ Die Erfolgsquote sei enorm, so Ninnet. Natürlich spiele auch die Betreuung durch geschulte Psychologen eine wichtige Rolle.
Die Abenddämmerung setzt ein. „Ist Ayahuasca vielleicht eine Art Weckruf, um uns wieder in Verbindung mit unserer Seele zu bringen?“, fragt Martin. Ninnet nickt. „Durch Ayahuasca habe ich verstanden, dass ich ein Teil des Universums bin – zwar nur ein ganz kleiner, aber ein ganz wichtiger.“
Von Martin Zoller
Film zum Thema:
„Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur“
Ein Film von: Martin Zoller und Robert Fleischer
Protagonisten: Norman Luis Piaguaje, Don Felinto Piaguage, Karina Luna, Eveline Ballesteros, Ninnet Pereyra, Daniel Maldonardo
Laufzeit: ca. 78 Minuten
Sprache: Deutsch
Webseite zum Film: http://ayahuasca-film.de/
Infos zum Film von Exomagazin.tv (Robert Fleischer)
Eventtipp:
Martin Zoller ist einer der Referenten des zweiten großen Übersinnlichen-Kongresses „Medialität und Heilung“ am 17. und 18. März 2017 in Taufkirchen bei München. Dort wird er über seine Erfahrungen, schamanische Spiritualität und sein Talent als Seher sprechen und einen Workshop anbieten.