„Wir sind viele“ – so lautete einmal ein erfolgreiches Buch zur Lebenshilfe. Anne Gutzeit erinnert an diese Metapher für die Vielschichtigkeit unserer Persönlichkeit. Sinnvoll ist es aber, die einzelnen Mitspieler der Mannschaft zu kennen. Denn wir alle brauchen mal ein Kind, und mal den Krieger…
von Anne Gutzeit
Der große Psychoanalytiker C.G. Jung hat einmal gesagt: „Das Unbewusste ist kein dämonisches Ungeheuer, sondern ein moralisch, ästhetisch und intellektuell indifferentes Naturwesen, das nur dann wirklich gefährlich wird, wenn unsere bewusste Einstellung dazu hoffnungslos unrichtig ist. In dem Maße, wie wir verdrängen, steigt die Gefährlichkeit des Unbewussten.“
Trotz aller psychologischen Behauptungen haben wir alle nur eine diffuse Vorstellung von unserem Unterbewusstsein. Wir tun uns schwer, Dinge für die wir keinen Namen haben zu begreifen. Wir wissen meistens nicht wer uns da beeinflusst und scheinbar dirigiert.
Dabei könnte es so einfach sein. Einmal einen völlig anderen Blickwinkel einnehmen und sich vorstellen, dass unser Unterbewusstsein eine Bühne ist, auf der Schauspieler auf verschiedenen Bühnen unterschiedliche Stücke spielen. Schauspieler, die in unterschiedlichen Momenten nach vorne treten und ihre Rolle spielen. Wir handeln dann wie ein Kind, wie ein König oder wie ein Krieger. Wäre wir uns darüber bewusst, könnten wir alle diese Schauspieler jederzeit rufen und einsetzen. Bewusst immer dann, wenn ihre Rolle gefragt ist und nicht unbewusst, wenn wir sie gerade nicht gebrauchen können.
Stellen Sie sich vor, Sie ständen in einem Kreis und die Schauspieler um Sie herum und in jedem Moment könnten Sie frei entscheiden, wen sie rufen wollen. Sie würden die Schauspieler in all ihren Qualitäten kennen und hätten keinerlei Blockaden oder Hemmungen auf sie zuzugreifen. Ein Idealszustand? Ja, im Normalfall sind wir alle nicht in der Lage so zu handeln. Einige Schauspieler kennen wir überhaupt nicht, bei anderen lehnen wir es ab aufgrund unserer Prägung, Erziehung oder gemachter Erfahrung überhaupt Kontakt aufnehmen zu wollen. Wieder andere sind uns aufgrund unserer Persönlichkeitsstruktur besonders ans Herz gewachsen, wir rufen sie wieder und wieder. Auch in Momenten, wenn sie völlig fehl am Platz sind.
Stellen Sie sich doch mal eine Person vor, bei der sich das innere Kind in den Vordergrund drängt, obwohl gerade der zuverlässige Entscheider gefragt ist. Sie meinen, dass passiere doch wohl eher selten. Dann schauen Sie sich doch einmal um im Alltag. Sicher kennen Sie alle diese verärgerten Zeitgenossen, die, wenn sie ihren Willen nicht bekommen, einem vorhalten: „Nun werden Sie mal nicht emotional. Das hat hier nichts zu suchen. Hier geht es rein um die Sache!“ Ich höre in solchen Momenten einen dreijährigen schreien „Nein, nein, ich will nicht!“ Mit Sicherheit würde ein Hinweis auf dieses Verhalten den Ärger ziemlich vergrößern. Die betreffende Person handelt völlig unbewusst. Ein Grund dafür kann sein, dass das innere Kind dieses Menschen grundsätzlich von ihm missachtet wird. Dieser Mensch kennt vermutlich Momente ausgelassener Freude genauso wenig wie Augenblicke, in denen er sich vollkommen anderen Menschen anvertrauen würde. Einfach mal in den Arm genommen zu werden, ist hier nicht vorstellbar.
Alle unseren inneren Schauspieler wollen gesehen und wertgeschätzt werden, der Narr genauso wie der König. Ignorieren wir einen von ihnen, dann beginnt er auf sich aufmerksam zu machen. Je länger es dauert, umso heftiger. Er schmeißt uns sozusagen Knüppel zwischen die Beine. Wenn z.B. der Narr auf sich aufmerksam machen will, dann kann es schon mal peinlich werden. Wir kippen dann das Glas Wein versehentlich bei einem wichtigen Geschäftsessen um oder stellen fest, dass wir unvollständig gekleidet losgegangen sind. Passieren uns solche Dinge häufiger, dann sind wir gut beraten, inne zu halten und zu überlegen, wen wir da gerade sträflich vernachlässigen und ihm Raum und Zeit zu widmen. Wir könnten uns dann zum Beispiel bewusst närrisch benehmen und tanzend über die Einkaufsstraße hüpfen.
Viele Menschen haben große Probleme mit ihrem inneren Krieger, mit dem Kämpfer. Er wird assoziiert mit Kampf, Macht und Gewalt und vollständig abgelehnt. Gerade Menschen, die sich auf den spirituellen Weg begeben laufen Gefahr ihn komplett zu vernachlässigen. Wir brauchen ihn aber um vorwärts zu kommen, um die Dinge in die Welt zu bringen, die uns wichtig sind. Strafen wir ihn mit Verachtung, dann hört er natürlich nicht auf zu kämpfen, das ist schließlich seine Aufgabe. Da wir ihm kein Ziel vorgeben, für das er für uns kämpfen soll, wendet er sich mit seiner ganzen Kraft gegen uns selbst, den wir sind dann das einzige Objekt, das er kennt. Depressionen sind die Folge. In der Re-Integrationstherapie, in der mit inneren Bilder gearbeitet wird, mit deren Hilfe diese Anteile wieder in das persönliche Ensemble integriert werden können, tauchen dann Bilder von Kriegern auf, die bis zu den Knien im Schlamm stecken und sich nicht bewegen können. Gelingt es sie in den Bildern wieder in Bewegung zu setzen, können sie auch im realen Leben handeln und die Depressionen verschwinden.
Alle diese Schauspieler in uns haben je nach unserer Persönlichkeit unterschiedliche Färbungen. Bei dem einen kämpft der Krieger vorwiegend mit Worten, bei dem anderen denkt er sich Strategien aus, die zum Ziel führen und wieder andere neigen dazu Intrigen zu spinnen. Die Geliebte des einen liegt faul auf dem Sofa und lässt sich am liebsten massieren und verwöhnen, die des anderen liebt das Spiel um die Macht und wieder eine andere mag angeregte Unterhaltungen.
Alle diese Färbungen lassen sich im Horoskop eines Menschen gut erkennen. Dort sind die Planeten die Schauspieler, die Tierkreiszeichen die Bühne und die Häuser das Stück das gespielt wird. Mit den Aspekten der Planeten zueinander können wir erkennen, wer wen unterstützt und wer wem im Wege steht.
Je mehr wir uns „ erlösen“, je bewusster wir werden, desto mehr gelangen wir in die Mitte dieses Radix, an den Ort an dem wir in jedem Moment Zugriff haben auf jeden einzelnen Schauspieler. Das ist dann der Moment, in dem wir verstehen, dass wir nicht diese unterschiedlichen Figuren sind. Der Moment, in dem wir begreifen, dass wir uns in diesem Leben auf diese besondere Art und Weise ausdrücken, mit der wir jederzeit spielen können. Wir verstehen dann auch zutiefst, dass andere Menschen sich auf eine andere Art und Weise ausdrücken, die nicht besser oder schlechter ist als unsere eigene. Wir haben es einfach nur mit unterschiedlichen Schauspielern auf unterschiedlichen Bühnen zu tun. Wie entspannend kann das Leben dann werden….
Anne Gutzeit arbeitet als Heilpraktikerin (Psychotherapie) in Osnabrück. Ihr Therapieschwerpunkt ist die Re-Integrationstherapie, die mit den unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen arbeitet. Neugierig und mütterlich, einfühlsam und analytisch, voller Begeisterung und mit einem klaren Kopf ist sie eine gute Reiseleiterin für unterschiedliche Persönlichkeitstypen auf dem Weg in vielleicht noch unbekannte Welten.
2 Kommentare
… und ich musste grad´ überlegen, wer jetzt eigentlich schreibt!
Da musste ich gleich an Shakespeare denken – „All the world is a stage.“ 🙂