Zum Jahresauftakt zeigt das ZDF den zweiteiligen Spielfilm „Die Pilgerin“, nach dem gleichnamigen Roman von Iny Lorentz. Er erzählt die Geschichte der Kaufmannstochter Tilla, die sich im 14. Jahrhundert als Mann verkleidet auf eine Pilgerreise begibt, um das einbalsamierte Herz ihres verstorbenen Vaters nach Santiago de Compostela zu bringen.
Die beiden 90-minütigen Teile laufen am Sonntag den 5. und Montag den 6. Januar jeweils um 20:15 Uhr. Zusätzlich wird nach dem ersten Teil auch noch die begleitende Dokumentation „Der Weg der Pilgerin“ gezeigt, die dem Zuschauer das Thema Jakobsweg näher bringen soll.
„Die Pilgerin“ beginnt in der schwäbischen Reichsstadt Tremmlingen, wo Tillas Vater im Sterben liegt. Er beauftragt Tillas Bruder Ottfried, nach seinem Tod mit seinem Herzen nach Santiago de Compostela zu pilgern, um seine Seele von allen Sünden zu befreien. Als er jedoch stirbt, weigert sich der gierige Otfried nicht nur, den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen, sondern verfügt über seinen ganzen Nachlass anders als vorgesehen. Er löst Tillas Verlobung mit Damian, dem Sohn des Bürgermeisters, und verheiratet sie mit dem rauen Kaufmann Veit Gürtler, dessen Nichte er selbst zur Frau nimmt. Durch diese Bande zu den reichen Gürtlers erhofft er sich eine höhere Stellung im Stadtrat und nimmt
dafür in Kauf, dass Tilla nun einem brutalen Ehemann ausgeliefert ist. Schon in der Hochzeitsnacht gelingt es ihr allerdings zu fliehen. Sie nimmt das Herz des Vaters an sich und begibt sich auf eine Pilgerreise nach Spanien, um seinen letzten Willen zu erfüllen.
Mit dem Herzen nimmt sie unwissentlich auch ein Dokument mit, das ihren Bruder des Hochverrats überführen könnte. Als Otfried dies merkt, schickt er ihr Veit Gürtlers Sohn Rigobert hinterher, das Dokument und seine Schwester – tot oder lebendig – zurück nach Tremmlingen zu bringen. Währenddessen hat sich Tilla einer zusammengewürfelten Pilgertruppe angeschlossen, die genau wie sie auf dem Weg nach Santiago ist. Um sich vor
Gefahren zu schützen, hat sie sich das Haar abgeschnitten und als Junge „Moritz“ verkleidet. Unter den anderen Pilgern erfährt sie Sicherheit, ist jedoch auch dem ständigen Risiko ausgeliefert, als Frau enttarnt zu werden.
Der Spielfilm zeigt nun ihre Wanderung nach Spanien, die sich als sehr schwierig gestaltet und von ständigen Gefahren und abenteuerlichen Geschehnissen unterbrochen wird. Gleichzeitig wird die Geschichte Tremmlingens weiter erzählt, wo Tillas Bruder Otfried, ganz von seiner Machtgier zerfressen, zu immer mehr Intrigen und Brutalitäten bereit ist. Besonders hier, aber auch auf Tillas Reise, häufen sich Szenen voller Gewalt und Mord, die wohl die „Dunkelheit“ des Mittelalter veranschaulichen sollen. Die Dialoge und das alltägliche Miteinander
sind dagegen von der Freiheit der heutigen Gesellschaft geprägt, so dass kein stimmiges Abbild der damaligen Zeit entstehen kann. Zum Beispiel stehen das Individuum und sein Schicksal sehr im Mittelpunkt. Das geht so weit, dass Tilla sich sogar selbstreflektiert Gedanken um ihre Frauenrolle in der Gesellschaft macht.
Insgesamt wird der Fokus mehr auf den Unterhaltungswert, als auf Authentizität und Stimmigkeit gelegt. Zu oft passieren außergewöhnliche Dinge, wie Fluchten, Morde und Entführungen, um die Handlung dramatischer zu gestalten. Vieles wirkt zu übertrieben und klischeehaft, beispielsweise, wenn die „Dorfhexe“ Rastazöpfe trägt und sich in ihrer Hütte Ratten und Schlangen hält.
Das Pilgern an sich steht wenig im Mittelpunkt, da die Unterbrechungen der Reise mehr Platz einnehmen als die Reise selbst. Man bekommt kein Gefühl dafür, wie es auf so einer Wanderschaft nun wirklich war. Dafür geht die Dokumentation „Der Weg der Pilgerin“ mehr auf diesen Aspekt ein.
Sie beschäftigt sich mit verschiedensten Themen rund um den Jakobsweg von Süddeutschland bis in den Westen Spaniens. Was ist seine Besonderheit? Woher kommt die Faszination, die jährlich tausende Gläubige, Atheisten, Sportler und Abenteurer anzieht? Es wird über die Bedeutung des Pilgerns berichtet; im Mittelalter und heute, was gleich blieb und was sich verändert hat. Wie sieht so eine Reise aus? An verschiedenen Stationen des Weges werden immer wieder Pilger gezeigt, die von ihrer Wanderung berichten. So erfährt man von den Motiven des Aufbruchs, den Erfahrungen der Reise und vor allem der Wirkung, die sie auf die Menschen hat.
Doch leider liegt hier, wie beim Spielfilm, der Schwerpunkt eher auf der Unterhaltung, als einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den angeschnittenen Themen. Das groß angekündigte ZDF TV-Event bedeutet ein paar Stunden Zeitvertreib auf dem heimischen Sofa – nicht mehr und nicht weniger.
Eine Bespechung von Paula Klinger