„Yoga ist das zur Ruhe bringen der seelisch-geistigen Bewegungen der Denksubstanz. Dann ruht der Sehende in seinem wahren Wesenskern“ (Patanjali, Sutra I, 2-3). Wenn heute von → Yoga als Methode gesprochen wird, ist meistens das Hatha-Yoga gemeint. Darunter versteht man Körperübungen (Asanas) und Körperhaltungen, meist in Verbindung mit Atemtechniken (→ Atem, Atemtechniken), die nicht nur eine tiefe Entspannung herbeiführen, sondern auch – wenn man es nicht übertreibt und berücksichtigt, dass manche Asanas von „Westlern“ nur nach langer Übung beherrscht werden können – gute gesundheitliche Wirkungen haben.
Viele der Asanas im Hatha-Yoga beruhen auf Körperhaltungen von Tieren und sind auch danach benannt: mayurasan, die Pfauenstellung; shashankasan, die Hasenstellung; bhuangasan, die Schlangenstellung usw. Menschen legen sich meistens zum Ausruhen hin, Vögel und andere Tiere ruhen sich auf andere Weise aus. Daher bilden die Stellungen, in denen sie stehen oder ruhen, den Schlüssel zum Verständnis der Asanas. Es ist zu vermuten, dass einige der Haltungen schon in schamanischen Gemeinschaften lange vor der hinduist. Kultur in Indien genutzt wurden und dann schließlich zur Technik der Selbstbeherrschung und Konzentration im Yoga einen Rahmen und ausgefeilte Grundlagen fanden.
Asanas sind die dritte Stufe des achtstufigen Yoga-Wegs nach dem Yoga-Philosophen Patanjali (ca. 2. Jh. v.u.Z., → Raja-Yoga). Übersetzt bedeutet asana „Hinsetzung“ oder „fester stabiler Sitz“ (→ Yoga). Auf allen alten Yoga-Abbildungen kann man erkennen, dass damit ein Meditationssitz, der so genannte Lotossitz, gemeint ist, bei dem die Beine gekreuzt sind und die Fußsohlen nach oben schauen. Wie man unschwer an diesen Bildern erkennen kann, ist für diese Sitzhaltung ein gesunder, gelenkiger und sehr beweglicher Körper nötig, um über einen langen Zeitraum still und entspannt sitzen zu können. Somit ist das ursprüngliche Asana eine Meditationshaltung, die dem Körper Stabilität verleihen soll.
Bei den späteren Asanas (siehe → Nath) handelt es sich um besondere Körperhaltungen, die über einen gewissen Zeitraum in völliger Konzentration gehalten werden. In der „Hatha-Yoga-Pradipika“, die im 16. Jh. in Indien entstand, sind 84 Übungsgruppen zusammengefasst. Jede dieser Übungen hat eine spezifische Heilwirkung. Einige Asanas lockern die Gelenke, andere Asanas dehnen, strecken und kräftigen die Muskeln. Wieder andere massieren die inneren Organe. Die meisten Übungen haben auch darüber hinaus eine positive Auswirkung auf alle Organsysteme, wie z.B. Atem, Kreislauf, Verdauung, Nerven sowie Hormondrüsen. Auch die Harnwege sowie die Haut als unser größtes Körperorgan werden durch die Asanas stark beeinflusst.
Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen den Asanas und anderen gymnastischen Übungen. Die Asanas bilden nicht nur ein Hilfsmittel, um den körperlichen Organismus gesund und stark zu erhalten, sondern sie helfen auch unmerklich, von den ergänzenden Atemübungen (→ Atem, Atemtechniken), den Pranayamas (→ Samkhya, → Raja-Yoga), unterstützt, mentale Widerstandskraft gegen Krankheiten aufzubauen. Sie berücksichtigen die verschiedenen Körperteile und bilden in sich ein vollständiges System zur Stärkung des nervlichen Tonus. Yoga dient somit nicht nur als eine optimale Vorbereitung zur Konzentration und Meditation, sondern unterstützt Gesundheit und Vitalität. Mittlerweile hat auch die westliche Schulmedizin die ganzheitliche Heilwirkung der Yogaübungen erkannt, und somit ist es kein Wunder, dass viele Yogaübungen heute die Basis von westlichen Bewegungstherapien und Gymnastikübungen bilden.
Im Westen wird Yoga deshalb leider häufig so vermittelt, als handle es sich dabei um reine Gymnastikübungen, die nur dazu dienen, dem Körper mehr Elastizität zu vermitteln. Unter dem Stichwort → Raja-Yoga lässt sich am achtstufigen Pfad des Patanjali ablesen, dass Yoga als Ganzes indes weitaus mehr ist. Yoga ist ein jahrtausendealtes System, das hilft, eine Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen. Somit sind die Asanas nur ein Teil des Yogaweges.
Das alte Diktum „In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist“ lässt erahnen, dass in einem gelenkigen und beweglichen Körper auch ein gelenkiger und beweglicher Geist wohnen kann, aber nicht muss. Es kommt immer darauf an, auch an allen anderen Aspekten zu arbeiten. In dem Wort gelenkig steckt das Wort „lenken“ und in der Beweglichkeit „bewegen“. Deshalb kann ein Mensch, der sich bewusst bewegt und bewusst dafür sorgt, dass sein Körper gelenkig und beweglich ist, seinen eigenen Lebensweg auch bewusst gehen und mehr Einfluss auf Ereignisse und Entwicklungen im eigenen Leben nehmen.
Wer mit der Yogapraxis beginnt, sollte sich die Frage stellen: Habe ich die Dinge unter Kontrolle oder haben die Dinge Kontrolle über mich? Yoga entwickelt unter anderem die → Willenskraft. Er entwickelt unseren Körper, zähmt unseren Geist (Verstand) und verhilft uns zu ausgeglichenen Gefühlen. Somit verhilft Yoga nicht nur zu einem gesunden Körper – auch der Geist erfährt Heilung.
Die Asanas stellen eine wunderbare Möglichkeit für uns dar, zuerst auf der körperlichen Ebene an uns zu arbeiten. Denn an unserem Körper können wir die positiven Veränderungen durch Yoga als Erstes feststellen. Menschen fangen an, sich zu verändern, wenn sie ihren Körper wieder spüren und wahrnehmen können; wenn sie feststellen, dass sich Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Willenskraft stärken und entwickeln.
Es gibt verschiedene Hatha-Yoga-Arten; die bekanntesten darunter sind:
Iyengar-Yoga: intensive Körperarbeit
Ashtanga-Yoga: feste Übungsserien, die dynamisch ausgeführt werden
Kriya-Yoga: Körper- und Atemübungen (→ Kriya-Yoga)
Bikram-Yoga: Eine Abfolge von 26 Übungen, die aus dem Hatha-Yoga entwickelt wurde.
1,4K
Vorheriger Beitrag