In der → christlichen Mystik ist vor allem das Herzensgebet eine Art → Mantra, das in lat. Sprache gesprochen natürlich wesentlich stärkere vokalische Mantrakraft hat als nur in Form eines wörtlichen Gebetes. Ein Herzensgebet, das viele Menschen gebrauchen, ist der Name Jesu oder auch „Herr Jesus Christus erbarme Dich meiner“. In der russischen Mystik heißt ein wichtiges Mantra gospodi pamiloi, „Herr, erbarme dich meiner“. Oft wird es im Stillen und innerlich rezitiert. Bei den Mönchen auf dem Berg Athos ist das so genannte Jesusgebet oder das Herzensgebet die übliche mantrische Anrufung.
In der Westkirche ist der Rosenkranz ein sehr beliebtes Gebet, in dessen Verlauf immer wieder das gleiche Gebet gebetet wird: „Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes …“ Das Ave Maria wird immer zehn Mal in Folge gebetet, dann kommt eine Unterbrechung durch ein anders Gebet, und dann fängt es wieder von vorn an.
Kyrie, kyrie eleison („Herr, erbarme dich!“) und Christe eleison („Christus, erbarme dich!“) sind ebenfalls christl. Mantras, und zwar Heilungsmantras, denn sie sollen die Menschen erlösen. Amen wiederum ist die phonetische Entsprechung des Ur-Mantras → OM. In diesem wird in einer Silbe der gesamte Klangraum abgeschritten – auch physiologisch, von der größten Öffnung des Mundes bis hin zu den geschlossenen Lippen. Alle Konsonanten, die wir mit dem Mund formen können, werden in dieser einen Mundbewegung wiedergegeben.
Man muss verstehen, dass man ein Mantra nicht dadurch erlebt, dass man sich eine Aufnahme anhört. Denn die Kraft, die Energie, die ihm innewohnt, entfaltet sich erst durch die ständige Wiederholung. Das Phänomen kann man nur wahrnehmen, indem man einen ganzen Zyklus selbst formuliert.
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