Vegaterier, besser noch, Veganer zu sein ist heutzutage unter spirituell aufgeklärten Menschen besonders in Mode. Das damit einhergehende Bewusstsein für die Unsinnigkeit von Massentierhaltung hat zugenommen – aber sollen wir tatsächlich alle Veganer werden? Hier eine humorvolle Betrachtung einer Agraringenieurin.
Von Judith Stromeyer
Sachlich betrachtet bin ich meines Studiums wegen so etwas wie der natürliche Feind eines jeden soliden Veganers. Allein schon die Berufsbezeichnung „Nutztierwissenschaftlerin“ impliziert, dass ich und meinesgleichen Tiere be-nutze, aus-nutze, und Weiß- der- Kuckuck -wie-nutze. Außerdem liebe ich ganz offen und ehrlich Lammbraten, Stiefel aus Rindsleder und Wollpullis und besitze die Unverschämtheit, meine Pferde zur reiten. Und ja, meine schamanische Trommel war im früheren Leben eine Hirschkuh.
Wenn man sich in „spirituellen“ Kreisen bewegt (darf das der Nutztierwissenschaftler überhaupt??), trifft man früher oder später auf den Typus des erleuchteten Veganers. Diese Spezies hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Welt mit erhobenem Zeigefinger Bilder drastischer Schlachthofszenen, ermordeter männlicher Küken und lieber kuscheliger Schweine vor Augen zu führen.
Ich bin, als schnöder Ökologisch korrekter Teilzeit-Vegetarier (Motto: „Ich ess nur, was auf meinen Wiesen gefressen hat…“) ebenso davon überzeugt, dass die von uns praktizierte Massentierhaltung völlig absurd, krank und widerwärtig ist. Auch sonst haben wir viele gemeinsame Vorstellungen. Allerdings lehne ich die „Nutzung“ von Tieren nicht per se ab, und in diesem Punkt kommt es dann zu ausgiebigen Diskussionen.
Ich denke, dass die Welt besser dran wäre, wenn Menschen nur die Tiere essen dürften, die sie vorher gehegt und gepflegt und dann selbst und höchstpersönlich für ihre Fleischgelüste ins Jenseits befördern müssten – mit dem nötigen Respekt und der angebrachten Achtsamkeit! Eine solche Regelung würde den Fleischkonsum ganz von selbst und ohne militante Missionierung seitens großstädtischer Pflanzenfresser in vernünftige Bahnen lenken.
Ein Gedanke beschäftigt mich bei der Vorstellung einer „Vegan World“ besonders: Was würde mit all den Nutztieren geschehen? Sie wären zweifelsohne zum Aussterben verurteilt, denn es gibt keinerlei natürlichen Lebensraum mehr für sie und zudem würden sie dem Menschen ja sein Grünzeug wegfuttern, bzw. die Flächen beanspruchen. Wenn ich tagtäglich im Garten unsere Heidschnuckendamen beobachte, gelassen, zufrieden in der Sonne wiederkäuend, fällt es mir schwer, eine Welt ohne Nutztiere „besser“ zu finden – und ich kann auch nicht umhin, festzustellen, dass meine Pferde ihre Arbeit gerne tun, und ja, offensichtlich unzufrieden und schlecht gelaunt werden, wenn ich sie ein paar Wochen nicht „nutze“, sondern ihnen schlicht ein relativ freies und pferdegerechtes Leben auf einer großen Weide biete.
–
Selbstversuch
Soweit meine Meinung. Da ich aber experimentierfreudig bin, und mir keiner vorwerfen soll, mein Hirn sei von den Suchtstoffen im Käse vernebelt, hab ich mir selbst einen veganen Monat versprochen. Ich kann schließlich nicht urteilen über etwas, von dem ich keine Ahnung habe.
Der Abschied von den tierischen Produkten fällt erstaunlich leicht. Müsli mit Sojamilch ist tatsächlich essbar. Okay, Tofu schmeckt immer noch… langweilig, vorsichtig formuliert, und Rührei ist ersatzlos gestrichen. Aber dafür lerne ich dazu: Seitan ist keine schwarzmagische Sekte oder ein seltener ostchinesischer Pilz, sondern eine Masse aus Gluten, die, mit richtigen Gewürzen und scharf angebraten angeblich sogar Geschmack und Konsistenz von Rehrücken kopieren können. Und Kuchenbacken geht auch ohne Ei und Milch, und wird von den Kindern heiß geliebt, da man ungestraft und ohne Angst vor Salmonellen vom rohen Teig naschen darf!
Mein Sohn passt ganz genau auf, was ich esse. Sobald sich etwas potentiell Verdächtiges meinem Mund nähert, kräht er lautstark: „Mama, ist das vegan? Ist das eine Pflanze? Kannst Du das überhaupt essen?“ oder auch: „wie können eigentlich Drachen vegan leben?“
Zugegebenermaßen dauert das Einkaufen recht lange, wenn man Zutatenlisten studiert, und grübelnd und rätselnd vor dem Schokoladenregal steht, während Mann und Tochter sich kichernd freuen, die leckere Nougatschoki ohne Konkurrenz verspeisen zu können. Mir wird beim Einkaufen wieder einmal bewusst, in wie vielen industriell hergestellten Nahrungsmitteln rätselhafte Dinge enthalten sind wie Butterreinfett, Mager-Molke-sonst-was-Pulver oder auch, besonders hübsch, Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren.
So vergeht der vegane Monat ohne das ich das Gefühl habe, tatsächlich auf all zu Viel verzichten zu müssen, erstaunlich unspektakulär, das Ganze. Ich habe viele neue Geschmacksrichtungen kennengelernt, viel gelacht, interessante Gespräche über Ernährung geführt und meine Familie hat sich über diverse Kuchenexperimente gefreut…
Und erstaunlicherweise habe ich bisher keinerlei Drang verspürt, jedem Menschen in meinem Umfeld ein Gespräch über ach so moralisch korrekte Ernährung, die Unverdaulichkeit von Fleisch („Stell Dir vor, bei Obduktionen in den USA finden die kiloweise verwesendes Fleisch in menschlichen Därmen, echt eklig, neee, das willst Du doch nicht in Dir drin haben, oder???….“) oder jemandem meine persönliche Erleuchtung, seit ich nur noch rechtsdrehende grüne Algenshakes zu mir nehme, aufzudrängen …
Vielleicht mach ich noch ein bisschen weiter mit dem Veganertum. Bis es für unsere Bocklämmer Zeit wird, ihr Leben zu lassen – durch unsere Hände, in unserem Garten, mit Respekt und Dankbarkeit und dem Wissen, dass unser Weihnachtsbraten ein ganz besonderes und kostbares Geschenk ist.
von Judith Stromeyer
s
Judith Stromeyer, Jahrgang 1978, Agraringenieurin und Gesundheitspraktikerin, lebt mit ihrer Familie und zahlreichen Vierbeinern auf einem alten Hof im wilden hessischen Vogelsberg. Das Schreiben ist seit ihrer Jugend Lebenselixier, Leidenschaft, Notwendigkeit, Freiheit des Geistes und Alltagsritual.
9 Kommentare
Hallo Judith,also diese ‚ganz oder gar nicht‘ Mentalität geht mir auch so ewig auf den Sack.
Ist doch schön, wenn sich jemand damit auseinander setzt und nicht stur alles ignoriert. Aber diese „Ich bin besser“-Mentalität legen Gott sei Dank nicht alle an den Tag. Glückwunsch für deinen sehr gelungenen Essay.
Liebe Grüße, C.
Liebe Mitlereser- und schreiber,
ich weiß, dass dies ein „heißes Eisen“ ist, und ich mich mit einer klaren Stellungnahme ins Kreuzfeuer begebe. Und genau das finde ich schade.
Um es nochmal kurz auf den Punkt zu bringen: Ich bin Biolandwirtin. Meine Familie lebt vegetarisch, bis auf etwa 10 Mahlzeiten im Jahr, bei denen wir das Fleisch eines Schafes mit Genuß und Andacht essen. Milch, Käse, Eier etc. beziehen wir vom Demeterbauer. Wir ernähren uns „bewusst“, eben weil wir wissen, wovon wir reden.
Meine Bitte:
Liebe Veganer, ich glaube, unsere Gemeinsamkeiten sind deutlich größer, als die Unterschiede! Wenn wir es geschafft haben, Massentierhaltung, Monsterschlachthöfe, Tierfabriken und sonstigen Wahnsinn abzuschaffen, und den Menschen ins Bewusstsein zu rücken, was das Schnitzel wirklich ist, wenn nur noch kleinbäuerliche Tierhaltung existiert,und Menschen, die Fleisch essen wollen, die Tiere selbst schlachten müssen, genau dann können wir noch einmal über Sinn und Unsinn des Veganismus diskutieren. Bis dahin, denke ich, sollten wir lieber unsere Energie darin investieren, an einem Strang zu ziehen, anstatt z. B. Fronten zwischen Vegetariern und Veganern aufzubauen…
Interessante Ansätze zur möglichen Zusammenarbeit findet Ihr übrigens in dem Buch „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer.
Liebe Judith,
neben dem ethischen Aspekt empfehle ich dir auch den gesundheitlichen Aspekt einer vollwertigen, pflanzlichen Ernährung genauer zu betrachten. Dazu eignet sich sehr gut das Buch „China Study“.
Ich lebe vegan (ernähre mich vollwertig pflanzlich) und setze mich sehr intensiv mit dem Thema aus allen Gesichtspunkten auseinander, weil ich ständig mit Fragen konfrontiert werde. Ich stelle fest, dass zur Zeit ein Prozess in der Gesellschaft stattfindet. Die Menschen reagieren plötzlich auf das Thema Ernährung und das nicht nur aus Diät- oder Modeaspekt heraus. Das ist gut so. Wer Fragen hat soll ehrliche Antworten finden, um sich selber ein Bild zu machen, einen Bewusstseinsprozess durchzumachen und sein Handeln seine Bewusststein anzupassen.
Viel Spass beim Lesen
Lieben Gruss
Sieglinde
Hallöchen,
naja habe mir den Artikel gerade durchgelesen und ehrlich gesagt nichts anderes erwartet. Veganer werden immer und überall belächelt, das finde ich schade. Habe erst seit kurzem damit begonnen mich vegan zu ernähren und muss ständig hören wie Fleischesser sich über (m)eine alternative Ernährung lustig machen und es als ungesund und unnatürlich bezeichnen ohne dass ich irgendwas über ihre Ernährung gesagt habe oder sie kritisiert hätte. Auch ohne dass Sie sich damit in irgendeiner Art und Weise vorher beschäftigt hätten um mitreden zu können. Irgendwie scheint es mir wie bei den Rauchern und Nichtrauchern, die Raucher regen sich auf wenn ein Nichtraucher mal was sagt oder finden unendlich viele Ausreden warum sie Rauchen (müssen).
Dass man nicht irgendein Spiri-Fanat ist wenn man Veganer wird und einfach aus persönlichen Gründen und ethnischer Überzeugung nicht weiter an dem aktuellen Stand dieser verkommenden Welt teilhaben will versteht kaum einer.
Dass man Fleisch, Milch, Käse und Eier auch beim Bauern kaufen kann ist klar, aber was ist mit den ganzen Fertigprodukten die man kauft (vom Ragout bis zur Mozzarella usw) die alle von den Massenproduktionen stammen.
Kurz gesagt, so wie ich keinen Fleischesser überreden will und Leute respektiere wie sie sich ernähren, möchte ich auch, dass ich als Veganer respektiert werde.
Vielleicht will man nur, dass manche Menschen das Schnitzel auf dem Tisch nicht nur als Essen betrachten das halt aus dem Supermarkt kommt (so was machen kleine Kinder normalerweise bevor sie nicht wissen wo es herkommt) und Fleisch nicht im übertriebenen Maße produziert und konsumiert wird (wie es heute doch großteils der Fall ist).
Man sollte Respekt gegenüber allen haben, Tiere – Menschen, Pflanzenfresser – Fleischfresser um das mal so zu nennen. Doch jemanden zum Denken anzuregen ohne gleich überzeugen und überreden zu wollen ist doch kein Vergehen oder?
Der Artikel mag ja recht witzig sein (für manche) aber es geht um eine ernste Tatsache (und die Zustände auf unserer Welt sind ernst) deshalb kann ich darüber nicht lachen. Wenn jemand mehr Respekt gegenüber Tieren empfindet, vielleicht hat er es auch gegenüber Menschen. Wenn so etwas nur ansteckend wäre, könnte die Welt wesentlich friedlicher sein und Hilfsbereitschaft, Respekt und Mitgefühl würden etwas mehr Platz finden. Vegan ist nicht Mode, kein Spielchen oder Fanatismus sonder ein Lebensstil, eine Überzeugung dass alle Lebewesen Gefühle haben und (über)leben wollen.
Das war nur einmal so ein Gedanke.
Grüße
Tanja
Hi,
Respekt ist wohl überhaupt das Zauberwort, nicht nur in Bezug zu Tieren…!!
Bei mir ist es so, dass ich nicht ganz aufhören möchte Fleisch zu essen, weil mein Körper manchmal förmlich danach schreit. Test gemacht und lange keines gegessen, dann bekam ich Gliederschmerzen; ich aß ein schönes Steak, fühlte mich nach kurzer Zeit wohler und die Schmerzen ließen nach.
Wie war es denn früher, es gab „höchstens“ einmal zweimal im Monat und zwar Sonntags ein Stück Fleisch. Ok, damals sind die Tiere auch nicht so viel mit Medikamenten vollgestopft worden. Mein Vater (Dr. med. homöop.) pflegte immer zu sagen: „Alles in Maßen“, was auch vielen anderen von der älteren Generation noch wissen. Und das rechte Maß lernt man, indem man auf den Körper hört. Er sagt uns genau was er braucht, nur verstehen wir manchmal seine Sprache nicht, weil wir es nicht gelernt haben sie zu verstehen (ich übrigens inclusive)…!
Fleisch von artgerechter Haltung wäre das Mindeste; aus der Region wäre empfehlenswert; in Maßen wäre gut und überhaupt mit Respekt es zu verzehren zu DÜRFEN eine Aufgabe, die wir alle zu lernen haben!
Hallo Judith,
ich finde Deinen Report klasse. Hab herzhaft gelacht – und kann so vieles nachvollziehen – ich versuche gerade die nicht ganz so harte vegetarische Linie durchzuziehen…leider bin ich im Internet – auch mit diesen Facebook- Dingensbumens nicht so daheim. Deshalb hab ich eben auf die Bewertungssterne geklickt – einfach mittenrein- und da ist dann eine 3-er Bewertung rausgekommen – dabei wollte ich doch nur schaun, was sich hinter den Sternen verbirgt……..sorry…….
Anm. der Redaktion: Wir haben – hoffentlich in Ihrem Sinne – Ihre Bewertung von 3 auf 5 Sterne erhöht. Vielen Dank für Ihren Kommentar!
Danke Alexandra!
Ja, so geht mir das auch oft mit meiner Neugier! Und siehst Du, wieder was dazu gelernt…
Liebe Grüße, Judith
Hallo Judith,
„Was würde mit all den Nutztieren geschehen? Sie wären zweifelsohne zum Aussterben verurteilt, denn es gibt keinerlei natürlichen Lebensraum mehr für sie und zudem würden sie dem Menschen ja sein Grünzeug wegfuttern, bzw. die Flächen beanspruchen“
Ist diese Frage wirklich Ernst gemeint? Du solltest angesichts deines Bildungsgrades eigentlich erkennen, wer wem jetzt das Futter wegfrisst und Flächen beansprucht und dass Nutztiere in der Massentierhaltung keinerlei natürlichen Lebensraum haben. Die Tiere, die dann „aussterben“ sind die, die du jetzt ohnehin nicht siehst.
Sollten Zweifel bestehen, was man mit Tofu anstellen kann, empfehle ich uneingeschränkt die Kochbücher von Attila Hildmann. Da gibt es dann auch Rührei, das schmeckt sogar meinem Noch-Omni-Freund.
Für mich ist klar spürbar – aus jeder Zeile geht hervor -, wie sehr du schon im Zweifel bist, ob das noch für die Zukunft richtig sein kann, wie du dich bisher ernährst hastn. Ich kann dich beruhigen, diesen Dialog führen alle Fleischesser, denn jeder Einzelne von ihnen merkt, dass mit dieser typischen Argumentationskette etwas nicht stimmen kann: jeder ist eine Ausnahme, denn jeder isst nur gaaaaanz wenig Fleisch und nur unter besonderen Bedingungen und nur, weil er Zugang zu Quellen von ungequälten Schlachttieren hat. Das ist eine Gemeinsamkeit aller Omnivoren, die ich kenne. Diese uneingeschränkte Achtsamkeit vor dem Fleischgenuss, das Segnen der Mahlzeit, das Bewusstsein über das werte Leben, die besondere Ausnahme, die man gerade macht und das Nichteinverstanden sein mit der Massentierhaltung ist allen Omnivoren gemeinsam. Ach ja, keiner kauft sein Fleisch im Supermarkt, isst im Nicht-Bio-Restaurant Fleisch und jeder lehnt natürlich ab, wenn er irgendwo eingeladen ist, weil dann die Herkunft unbekannt ist. Ich persönlich kenne fast nur solch hochentwickelten ethisch-moralischen Omnivoren, die den Vegs erzählen, wie ihre Fleischauswahl stattfindet. Hier ist der zweite Haken an deiner Geschichte oder gehst du wirklich nie ins Restaurant oder isst Mutters Schweinebraten, kaufst eine Bratwurstsemmel am Christkindlsmarkt?
Dies nur um Verständnis für meine Seite zu wecken, denn ich bin eine von denen, die ihre Erkenntnisse über die Vorteile des Veganismus gerne teilt und mit dem Anliegen Tier-, Menschen- und Planetenschutz unterwegs ist, ebenso wie du deinen Selbstversuch teilst und die Kommentarfunktion freischaltest. Aber prophylaktisch schon mal darauf hinweist, dass du keinerlei Missionierungsanspruch hegst …, aber ist die Verteidigung, falls du zum Fleischessen zurückkehrst schon gut vorbereitet – ganz ethisch, achtsam, dankbar, respektvoll, nur die eigenen Tiere, selbstgeschlachtet, ja, wer könnte dir das ausreden oder übelnehmen wollen?
Mir erschließt sich also auch nach dem Lesen des ganz nett geschriebenen Artikels nicht, wie man Spiritualität, Respekt, Achtsamkeit und Dankbarkeit in einen Zusammenhang mit „Schlachten“ bzw. dem Töten eines Tieres für den eigenen Genuss in einen Zusammenhang stellen kann, es handelt sich m.M.n. auch bei dir um eine Selbsttäuschung, ohne die der Vorgang des Schlachtens und anschließenden Genießens nicht möglich wäre.
Ich empfehle dazu, sich dies anzusehen: https://www.karmakonsum.de/2012/12/04/konsum-die-psychologie-des-fleischessens/
Das hilft, sich selbst in dem Zwiespalt, noch ein Fleischesser zu sein und evtl. bleiben zu wollen, besser zu verstehen. Alleine, dass du diesen Selbstversuch gestartet hast, ist der Schritt in den Veganismus. Meiner Erfahrung nach nicht reversibel. Ich wage zu prophezeihen, 2013 wird dein letztes Weihnachten mit geschlachteter Heidschnucke sein. Die folgenden Schnuckis werden dem Mähen der Wiese und dem privaten Streichelzoo dienen, sonst nichts. Falls du dir nicht vorher „Earthlings“ gibst.
Alles Gute auf diesem Weg
-bei mir hat es auch irgenwie mal so ähnlich angefangen –
Marietta
Auch sehenswert:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=gD2jb5qmLdQ#!
https://www.youtube.com/watch?v=rM4He247-Dg&feature=player_detailpage
https://www.milkiscruel.com/
Liebe Marietta,
danke für Dein Feedback.Ich habe in den letzten Wochen und Monaten viel mit den unterschiedlichsten Menschen über dieses Thema gesprochen. Und ich merke- es läßt keinen kalt, und das zurecht. Um „meine“ Art des 97,3% Vegetarismus noch mal kurz zu beschreiben: Einige Jahren lebten wir auf Demeterbetrieben und hatten den großartigen Lusxus, 100% aller „tierischen“ Lebensmittel aus dem Betrieb selbst herzustellen, was ich als sehr befriedigend empfunden habe.
Seit einiger Zeit jedoch müssen wir einkaufen(und das ist mir ein Graus), und seit dem habe ich das Fleisch essen komplett aufgegeben, weil mir tatsächlich physisch übel davon wird (nein, nicht weil ich zu viel youtube geschaut habe)…also nix mit ab und zu mal Bratwurst oder so…in diesem Fall bin ich wohl (zwangsläufig)tatsächlich die Sorte Omnivorin, die wirklich und wahrhaftig nur die eigenen Tiere ißt. Denn unsere Lämmer schmecken mir, nach wie vor, mir wird nicht schlecht, und ich habe nicht das Gefühl, etwas falsches zu tun, indem ich sie schlachte und dann auch gerne esse.
Vielleicht noch eine Sichtweise, die mir im Laufe meiner schamanischen Arbeit doch immer klarer wird, und sich für mich stimmig anfühlt. Ein Schaf,und auch eine Rind, ist ein Beutetier. Sie haben sich evolutionär dazu entwickelt. Und tatsächlich wissen sie um diese Aufgabe des Nährens.Wenn Du schamanisch arbeitest, kannst Du die „Gruppenseele“ solcher Tierarten während einer Reise besuchen.Und es hat mich erstaunt, wie sehr sie sich ihrer Aufgabe bewusst sind. Aber der Mensch hat das mißbraucht, wie so vieles, weil seine Gier keine Grenzen kennt,und er den Respekt vor den Tieren als Mitgeschöpf gänzlich verloren hat. D A S ist in meinen Augen das Problem.
Ich habe mit unseren Schafen ein sehr persönliches Abkommen getroffen: Sie leben in relativer Sicherheit und zufrieden bei uns in ihrer kleinen Herde. Die weiblichen Lämmer behalten oder verkaufen wir. Die männlichen werden geschlachtet, dienen uns als willkommene Abwechslung auf unserem Speiseplan. Das fühlt sich für mich einfach rundherum richtig an. Mir ist klar, dies ist mein persönlicher Weg, der für niemanden sonst richtig oder auch nur nachvollziehbar sein muss, und er ergibt sich aus meiner Sicht auf die Welt.
Und was die aussterbenden Nutztiere angeht- ich habe mich da gar nicht auf die Tiere aus der Massentierhaltung bezogen- diese gequälten Wesen würden „in freier Wildbahn“ so oder so schnellstens ihr Leben lassen. Sie können ja kaum laufen, geschweige denn sich ernähren. Nein, mir liegen z. B. die alten Nutztierrassen am Herzen, für deren Erhalt ich mich einsetze, weil ich es wichtig finde, sie als Mitgeschöpfe zu erhalten.Und das können sie (meine Sicht als Biolandwirtin) nicht als reine „Streicheltiere“.
Und noch etwas stimmt mich in Bezug auf Spritualität und Fleischkonsum nachdenklich: Ich habe z. B. viele American Natives als spirituell hochentwickelte Menschen in meinem Bewusstsein. Die Lakota, als Volk von jagenden Nomaden, haben vorwiegend von tierischen Produkten gelebt.Und gleichzeitig haben sie die Tiere als Brüder und Lehrer betrachtet, und die Schöpfung in Ehren gehalten. Fleischkonsum an sich kann ich, für mich, nicht verdammen.
Und ein bekannter und anerkannter mongolischer Schamane, hochspirituell und brilliant, wird sich kichernd die Hand vor den Mund halten, wenn ich ihm von der seltsamen Idee berichte, Menschen könnten nur dann zu wahrer Spiritualität finden, wenn sie aufhören Fleisch zu essen.
Alles Liebe,
Judith