Eine weitere bedeutende Linie der gnostischen Überlieferung (→ Gnosis) ist die Religion des persischen Weisen Mani (ca. 216-276).
Schon in seiner Jugend hatte Mani Offenbarungserlebnisse. Reisen in den Osten brachten ihn in Kontakt mit dem → Buddhismus. Mani sah die Beschränkungen dieser Religionen, die nur in einzelnen Sprachen und für einzelne Völker Verbindlichkeit besaßen, und deren Angehörige oft unter sich um die Lehre stritten. Daher bemühte er sich, die Schriften seiner Religion noch zu seinen Lebzeiten aufschreiben zu lassen, die Lehre eindeutig zu formulieren, um Auslegungsstreitigkeiten und Gruppenbildung zu vermeiden und sie weltweit zu verbreiten.
Kennzeichen dieses Glaubenssystems ist ein strenger → Dualismus von Gut und Böse (Licht und Finsternis, Seele und Körper). Ziel ist es, durch Askese, die (Licht-)Seele vom Kreislauf der Wiedergeburt (→ Reinkarnation) zu befreien und so ihre Wiedervereinigung mit dem Göttlichen zu ermöglichen.
Über den Vater Manis gab es wohl Verbindungen mit der Täufersekte der Mandäer (eine gnostische Gemeinschaft, ab 1. Jh., die es heute noch im Libanon gibt), deren Gründer Johannes der Täufer gewesen sein soll. Die Mandäer verehren diesen heute noch als den „wahren Messias“ und halten Jesus für den „falschen“. Nach der Lehre Manis war nicht der kosmische Christus am Kreuz gestorben, sondern Jesus als dessen Stellvertreter. Erst der Kontakt mit den Anhängern Johannes des Täufers – darauf weist die Apostelgeschichte hin – machte die Christen mit den Geburtsgeschichten von Johannes dem Täufer [Johannes ist korrekt Jesu?] bekannt, in denen er als der neugeborene Messias der Priesterüberlieferungen dargestellt wird. Aus diesem Grunde spielt der Name Johannes als „Priesterkönig“ in den späteren Mythen um den hl. → Gral eine bedeutende Rolle als „König der Welt“ (Julius Evola 1954, 59 ff.)
Von den manichäisch-gnostischen Lehren beeinflusst waren die → Katharer (die „Reinen“), ein Sammelname, den sich eine Reihe häretischer christl. Sekten gab, welche sich vom 3. bis zum 11. Jh. in Vorderasien und Westeuropa ausbreiteten. In östlicher Richtung breitete sich der Manichäismus über den Iran, Afghanistan, Indien, Chinesisch-Turkestan und Zentralasien bis nach China aus. Er fasste Fuß im westlichen Tibet und beeinflusste die einheimische, schamanistische Bön-Religion und den Lamaismus (→ tibetischer Buddhismus). Beim Türkvolk der Uiguren wurde der Manichäismus sogar Staatsreligion. Der manichäische Einfluss war über 1000 Jahre lang im Buddhismus und Islam in wirksam.
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