Seit einigen Jahren und besonders seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist offensichtlich geworden, dass unsere Welt so, wie sie gegenwärtig eingerichtet ist, nicht zukunftsfähig ist. Ervin Laszlo, der Präsident des World Shift Network und des Club of Budapest, fordert die Wirtschaft zum Handeln auf.
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Einige der Überzeugungen, die immer noch das Handeln in der Welt leiten, sind völlig unzeitgemäß. Dazu gehört der Glaube, dass…
… der Planet unerschöpflich ist. Die über Jahrhunderte nicht infrage gestellte Überzeugung, die Erde sei eine unerschöpfliche Quelle von Ressourcen und eine unendlich aufnahmefähige Müllkippe, führt zur übermäßigen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und zur Überlastung der Selbstheilungskräfte der Biosphäre.
… die Natur ein Mechanismus ist. Unser Glaube, dass wir die Natur technisch manipulieren können wie eine Maschine, führt zu einer Unzahl unvorhergesehener und beunruhigender Nebenwirkungen, etwa zur Zerstörung des natürlichen Gleichgewichts und zum Verschwinden zahlloser Spezies.
… das Leben ein Kampf ist, in dem nur die Stärksten überleben. Die Anwendung von Darwins zudem noch missverstandener Theorie der natürlichen Auslese auf die Gesellschaft führt zu einer wachsenden Kluft zwischen Reich und Arm. Sie konzentriert Reichtum und Macht in den Händen einer kleinen Gruppe cleverer, aber oft skrupelloser Manager und Spekulanten.
… der Markt automatisch den Wohlstand verteilt. Wohlhabende Menschen neigen dazu, an dem Glauben festzuhalten, dass die freie Marktwirtschaft, regiert von dem, was Adam Smith die „unsichtbare Hand“ nannte, die Gewinne aus wirtschaftlichen Aktivitäten gerecht verteilt. Wenn
sie persönlich erfolgreich sind, so behaupten sie, dann kommt das auch der Gesellschaft zugute. Die Armut und Marginalisierung fast der Hälfte der Weltbevölkerung macht nur allzu deutlich, dass diese Anschauung im Rahmen der heutigen durch Macht und Reichtum verzerrten globalen Märkte nicht funktioniert.
Die Shareholder-Philosophie polarisiert
Die Geschäftswelt sieht sich deshalb heute vor der Herausforderung, nicht länger ein Teil des Problems zu sein, sondern zu einem Teil der Lösung des Problems zu werden. Sie ist zum größten Teil deshalb ein Teil des Problems, weil die Unternehmen sich zunehmend ihrer Verantwortlichkeit für die Gesellschaft entzogen haben. Das klassische Ziel einer Firma ist, Geld für deren Besitzer zu erwirtschaften. Diese „Shareholder-Philosophie“ hat die Gesellschaft polarisiert und die ungezügelte Ausbeutung von Ressourcen zur Folge gehabt. Sie muss abgelöst werden von einer „Stakeholder-Philosophie“ – der Verantwortlichkeit für alle, die in die Aktivitäten eines Unternehmens involviert und davon betroffen sind, seien dies nun Aktienbesitzer, Arbeiter und Angestellte, Klienten und Kunden oder die Bürger der Standortkommune. Das soziale Verantwortungsbewusstsein unter Wirtschaftsführern ist noch nicht ganz ausgestorben. Vor einhundert Jahren sagte Thomas Watson Sr., der Gründer von IBM, Unternehmen seien nicht dazu da „einfach nur Geld zu verdienen“, sondern um „das ganze Gewebe der Gesellschaft zusammenzuhalten“. Heute gründen Unternehmer wie Bill Gates, Warren Buffet und andere wohltätige Stiftungen, die humanitäre Ziele verfolgen, wie es früher schon Wirtschaftsführer wie Rockefeller, Ford oder Carnegie taten. Aber solche wohltätigen Aktivitäten sind heute nicht mehr ausreichend.
Nutzen stiften statt spenden
Heute genügt es nicht mehr, als periphere philanthropische Aktivität „Gutes zu tun“, während man sich ansonsten darauf konzentriert, auf dem Markt möglichst „gut abzuschneiden“. Der Schaden, den Unternehmen anrichten, die weiterhin kurzfristige Strategien der Gewinnmaximierung verfolgen, wird durch die Finanzierung wohltätiger Aktivitäten längst nicht wettgemacht, so nützlich diese auch sein mögen. Heute ist es notwendig, dass diejenigen, die den Reichtum und die Macht besitzen, große Unternehmen zu kontrollieren, nicht durch philanthropische Aktivitäten zum Gemeinwohl beitragen, sondern dadurch, dass sie ihre Unternehmenspolitik ändern. Die soziale Zielsetzung ist kein fakultativer Schritt bei der Entwicklung einer Unternehmenspolitik, sondern vielmehr eine logische Weiterentwicklung der Stakeholder-Philosophie. Würde die Geschäftswelt dieses Ziel verfolgen, so würde sie sich damit unter die Kräfte innerhalb der Gesellschaft einreihen, die sich dem Wohlergehen der Bevölkerung und der ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen. Die Geschäftswelt wird diesen ungemein wichtigen Schritt nicht vollziehen, solange es auf dem Markt nicht zu einem entsprechenden Wandel der Nachfrage kommt. Dies bedeutet, dass die Menschen ihr Denken und Verhalten auf eine Weise verändern müssen, die sich in ihren Werten und Vorlieben widerspiegelt. Ein solcher Wandel ist bereits im Gange.
Trennung von Mensch und Umwelt aufheben
Eine Veränderung des öffentlichen Bewusstseins bahnt sich bereits an. Das Bewusstsein, das die Welt während des vergangenen Jahrhunderts beherrscht hat, ist kein festgeschriebener Zug des menschlichen Geistes. Für den größten Teil der zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Jahre, die die Menschheit nun schon eine höhere Form von Kultur und Bewusstsein besitzt, betrachtete der Mensch sich nicht als ein von seiner Umwelt getrenntes Wesen. Die Menschen lebten vielmehr in der Überzeugung, dass die Welt eins ist und wir ein integraler Bestandteil dieser Welt sind. Die radikale Trennung eines denkenden und fühlenden Menschenwesens von einer unbewussten und gefühllosen Welt kam erst in der Moderne und vor allem im Abendland zustande. Sie führte zu einer ungezügelten Ausbeutung der unbewussten und gefühlslosen Welt durch die denkende und fühlende und sich deshalb überlegen fühlende menschliche Rasse.
Neue Kulturen entstehen
Doch dieses so lange vorherrschende Bewusstsein hat begonnen, sich zu wandeln. An den kreativen Rändern unserer Gesellschaft sind neue Kulturen im Entstehen, die eine ganz andere Geisteshaltung haben als das materialistisch eingestellte, engstirnige Bewusstsein des Mainstream. Sozialpsychologen, experimentelle Parapsychologen, Soziologen und sogar Physiker und Gehirnforscher finden bei immer mehr Menschen, insbesondere bei jungen Menschen und Kindern, eine andere Art der Wahrnehmung und des Gewahrseins. Sie sprechen von einem „integralen Bewusstsein“, einem „erweiterten Bewusstsein“, von „nichtlokalem Bewusstsein“, dem „holotropen Geist“, einem „unendlichen“ oder „grenzenlosen“ Geist. Der charakteristische Zug dieses Wandels ist ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinschaft – einer Gemeinschaft aller Menschen im Kontext der Gemeinschaft allen Lebens auf dieser Erde. Die Evolution eines neuen Bewusstseins verändert die Strukturen der Nachfrage auf dem Markt und die Dynamik von Gewinn und Wachstum. Aufgeklärte und ethisch handelnde Wirtschaftsführer erkennen, dass diese Entwicklung bereits im Gange ist, und tun ihr Bestes, sie zu fördern, weil sie damit auch zur Zukunftsfähigkeit und zum anhaltenden Erfolg ihres eigenen Unternehmens beitragen.
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Menschen, die neu denken,
- leben so, dass ihre Grundbedürfnisse befriedigt werden, ohne dass dadurch die Chancen anderer Menschen, ihre jeweiligen Grundbedürfnisse zu befriedigen, beeinträchtigt werden.
- respektieren das Recht aller Menschen auf Überleben und Entwicklung, wo immer diese leben und was immer ihre ethnische Zugehörigkeit, ihr Geschlecht, ihre Staatsangehörigkeit und ihr Glaube ist.
- gewährleisten das Recht auf Leben und eine gesunde Umwelt für alles, was auf dieser Erde lebt und wächst.
- wählen ihre Arbeit und ihren Beruf und investieren ihre Zeit und ihre Begabung in Hinsicht auf das, was für ihre Gemeinschaft nützlich und förderlich ist und was anderen Menschen, Gemeinschaften und der Umwelt nicht schadet.
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… unterstützen nur solche Unternehmen, die
- ehrlich und zuverlässig Auskunft geben über die langfristigen Vorteile und Kosten ihrer Produkte und Dienstleistungen, über deren Sicherheit, soziale Konsequenzen, Umweltverträglichkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclebarkeit.
- sich aktiv darum bemühen, den Schadstoffausstoß und die Umweltverschmutzung, sowie ihren Müll zu minimieren.
- ihre Angestellten und Mitarbeiter konsultieren, wenn es um die Formulierung ihrer Unternehmensziele geht.
- sich aktiv für das Leben ihrer Angestellten und Arbeiter interessieren.
- sich auch in ihren Standortkommunen engagieren und ihre Arbeiter und Angestellten motivieren, einen Teil ihrer Zeit der Sozialarbeit und der Verbesserung der lokalen Umweltbedingungen zu widmen.
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Prof. Ervin Laszlo ist der Gründer und Präsident des Club of Budapest, Präsident des World Shift network, Gründer der General Evolution research Group, Mitglied des Vorstands des world wisdom council, ein Fellow der world academy of arts and Sciences, Mitglied der international academy of Philosophy and Science und ein Senator der international medici academy. Er ist Herausgeber der internationalen Zeitschrift World Futures: The Journal of General evolution. Laszlo erhielt von der Sorbonne in Paris den Titel eines Dr. phil. sowie Ehrendoktortitel in den USA, Kanada, Finnland und Ungarn. im Jahre 2002 wurde ihm der Japanische Friedenspreis (Goi award) verliehen, im Jahre 2005 in Assisi der international mandir of peace prize, und in den Jahren 2004 und 2005 wurde er zum Friedensnobelpreis nominiert. Als früherer Professor für Philosophie, Systemwissenschaft und Zukunftsstudien in den Vereinigten Staaten, Europa und im Fernen Osten ist er Autor von 54 Büchern und Hunderten von Studien, die in 20 Sprachen übersetzt wurden. Er lebt in Italien
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Mit freundlicher Genehmigung von forum Nachhaltig Wirtschaften: www.nachhaltigwirtschaften.net
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Interviews mit Prof. Ervin Laszlo auf MYSTICA:
„Wie alles miteinander verbunden ist“ (Talk TV)
2 Kommentare
Unser Planet ist nur in der menschlichen Einbildung gerne unerschöpflich. In Wahrheit schöpfen alle anderen Erscheinungsformen der Schöpfung nicht. Sie gestalten, formen um, kreieren neu, kombinieren sich kreativ und produktiv und haben damit auch Menschen ermöglicht, deren Denkbeule so beträchtlich wurde, daß wir uns die unmöglichsten Dinge einbilden können.
Ein zweiter Gedanke eingangs dieses Artikels ist mir aufgefallen, dem ich nicht zustimmen kann: Die Natur beruht auf einem Mechanismus, einem so einfachen und erfolgreichen, daß sie sich selbst „technisch“ wie eine Maschine manipuliert. Das führt nur zu einer Unzahl unvorhergesehener und beunruhigender Nebenwirkungen, auch „Gleichgewichtsstörungen“ mit dem Verschwinden zahlloser Spezies, weil der Mensch die „fundamentale Mechanik“, das PROGRAMM DER EVOLUTION nicht kennt, auch nicht erkennen will. Er wurde sozusagen Opfer seiner selbst, weil auch Menschen ausnahmslos diesem genial einfachen Programm folgen, es allerdings so beunruhigend und unvorhersehbar manipulieren, daß wir noch immer die einzigen Lebewesen sind, die sich selbst massenhaft vernichten, bevor die Natur zu ihrem Recht kommen konnte und wir uns nach natürlichen Abläufen verkrümeln.
Deshalb ist unser Leben auch oft ein verdammt harter Kampf, in dem viele nur so leben, daß man eigentlich nicht mehr von menschenwürdigen Umständen und von einem Leben sprechen kann. Viele Zeitgenossen sind apathisch, ängstlich, depressiv, hoffnungslos, dickleibig, unbeweglich.
Nicht der realisierte Darwinismus führt zu einer wachsenden Kluft zwischen Reich und Arm, sondern die Kurzsichtigkeit und Unbeweglichkeit sehr vieler Individuen, die einer kleinen Gruppe cleverer, oft skrupelloser Manager und Spekulanten zuarbeiten, weil sie mit Selbsttäuschungen am laufenden Band Denkfehler in ihrem Köpfen produzieren und von der damit entstehenden Machthierarchie so beeindruckt sind, daß sie ihre eigene Beteiligung und VerANTWORTung darin nicht wahrnehmen und verdrängen.
Vieles ist anders als wir denken, wenn wir denken, wie die meisten denken.
ich denke, solche Menschen wie sie hier skizziert werden, sind ebenfalls der Meinung, dass Unternehmen nicht alleine evaluative Praktiken mit humanistischem Konstruktivismus verbinden sollten. (siehe: „… unterstützen nur solche Unternehmen, die, usw.)
Sondern auch eine bewusste ‚Kaltherzigkeit‘ gegenüber falsifizierbaren Fakten der Unternehmenspolitik, also unabhängig von allgemein – akzeptierten Forderungen der bürgerlichen Moralisten, ablehnen. (z.B. Leistungsquoten, Profit – Gehalts – Verhältnisse, etc.)
Insofern denke ich, dass die Hegemonie der klassischen Unternehmensstrukturen, auch bald fällt zu Gunsten eines (z.B.) pseudo – kommunistischen Gewinnverhältnisses, welches das Gehalt der Einzelperson als einen (gleichwertigen) prozentualen Anteil des Unternehmensporfits ausdrückt.
war nur so’n Gedanke…
Liebe Grüße
Micha