Rezept für einen gelungenen Kongress – Thomas Schmelzer

von Thomas

KongressTextWelche Zutaten braucht ein gelungener, also erfolgreicher ganzheitlicher Kongress? Hier einige Beobachtungen aus der Praxis.

 

von Thomas Schmelzer

 

In den vergangenen Monaten hatte ich die Ehre, viele Kongresse und Events mitzuerleben, einige davon auch als Moderator. Und konnte feststellen: Es sich wird nach wie vor gerne live getroffen und ausgetauscht. Viele Kongresse leiden aber unter Besucherschwund, auch, weil heute denn je angeboten wird und – was immer wieder unterschätzt wird – es das Internet gibt.

Wenn ein Kongress schlecht besucht wird, tun mir die Veranstalter leid, denn sie haben ein ganzes Jahr darauf hin gearbeitet. Aber manchmal ist es so: 70 Leute sitzen im Publikum, und zwar gleich viel Männer wie Frauen. Wie schön, denkt man, zumindest werden Frauen wie Männer gleich angesprochen. Genauer betrachtet sind dort aber die Referenten, meistens Männer, die vorher und nachher noch sprechen werden, und einige weibliche Gäste, die sich tatsächlich eine Karte gekauft haben. Schade, denn oft waren dies hervorragende Events. Woran also könnte es gelegen haben?

Eine der zentralen Beobachtungen: Kongresse mit groß angelegtem, breiten Themenspektrum haben immer weniger Chancen. Warum? Nun, da geht es den Veranstaltern ähnlich wie Lexikas oder allgemeinen Überblicken in Buchform. Diese Übersicht nämlich ist heute im Internet vollends zu befriedigen. So erklärt sich die Namensänderung des „Rainbow Spirit Festivals“, noch vor einigen Jahren ein Riesenevent, das das ganze spirituelle Spektrum abdeckte, zum „One Spirit Festival“, also die Verdichtung zum Einheitsgefühl und zum Wesentlichen. Wird es gelingen? Wir dürfen gespannt sein.

Also: Spezielle, klare Themen bringen es. Glück oder Bewusstsein ist heute zu wenig – Berufung, Beziehung, Burnout schon besser.

Eine weitere Zutat für den Erfolg: Der Promifaktor. Es braucht bekannte Namen, und wenn es nur einer ist. Robert Betz, Ruediger Dahlke oder das Ehepaar Zurhorst (um mal nicht den derzeit omnipräsenten Veit Lindau zuerst zu nennen) bringen viele Besucher aus ihren Fangemeinden mit. In Ausnahmefällen füllt ein Name ganze Hallen: Der Heiler Joao de Deus, Eckhard Tolle (wenn er mal wieder käme) oder Deepak Chopra (zuletzt vor zwei Jahren 2000 Besucher, jetzt im Mai in der Schweiz).

Und Esoterik pur ist out. Deswegen sagt auch jeder esoterisch Aktive, ER mache alles, nur keine Esoterik. Die seinerzeit beliebten Esoterikmessen zeichnen sich mittlerweile durch gähnende Leere aus.

Also: Ein Thema, das die Menschen berührt, Promifaktor, kein Esoterik-Image. Der Engelkongress zum Beispiel zeigt dies meisterhaft: Engel sind konkret, haben etwas Mystisches, Versprechendes, die Referenten sind die bekanntesten weltweit und sie erzählen berührende Geschichten. Musik und Meditation drum herum, und fertig ist das Gericht.

Und die Fangemeinde wird vorher im erfolgreichen Engelmagazin informiert. Das Drumherum muss eben auch stimmen: Gute Werbung in Magazinen, online; Flyer im Ort verteilen und am Besten mit einer Handvoll Medienpartnern zusammenarbeiten, die darüber schon im Vorfeld berichten.

Ist heute die übliche Form von Kongressen überholt? Manchmal heißt es, die hierarchische Struktur von Vorträgen – einer spricht, alle hören zu – hat ausgedient. Das Gegenteil aber ist zu beobachten, wenn 700 Personen gebannt einem hypnotischen Robert Betz lauschen, wie er zum gefühlten 3000sten Mal über unsere Psyche doziert. Immer wieder wird versucht, diese Struktur aufzubrechen, mit dem Mikro im Publikum zu sein oder eine runde Sitzgruppe zu etablieren, was natürlich nur möglich ist, wenn es nicht all zu viele Besucher sind. Aber auch hier braucht es den Wortführer, den Referenten, der durch das Programm führt. Und wenn das Wir-sind-alle-gleich Gefühl übertrieben wird, fühlen sich viele überfordert, weil sie befürchten, sie müssten früher oder später auch etwas beitragen, während sie doch einfach einen netten Sonntag erleben wollten.

Entscheidend ist natürlich das Gespür für die Themen der Zeit. Worum geht es heute, was hat sich verändert, was sind die Bedürfnisse? Wissenschaft und Spiritualität funktionierte eine ganze Reihe von Jahren hervorragend (Bleep). Dann war das Wendezeitthema um 2012 spannend. Und heute? Einerseits Wohlfühlthemen und Geschichten in einem harmonischen Ambiente (Engel) – und heiße Themen, die Lösungen für die Probleme unserer Zeit (Ereignishorizont 2013).

Was nun hat das Internet verändert? Webinare gibt es immer mehr, in denen der Zuseher bequem und oftmals sogar kostenfrei mit dem Star chatten kann, nachdem er einen Live-Vortrag gehalten hat.

DrunvaloHermannDurch das Web können auch amerikanische Stars plötzlich in deutschen Kongressen landen, ohne dass das gesamte Budget der Veranstalter draufgeht: die Zuseher akzeptieren es ohne Problem, wenn der Referent via Skype zugeschaltet ist und oft hat dies noch einen besonderen Reiz (rechts im Bild: Peter Herrmann begrüßt Drunvalo Melchizedek). Riesengroß erscheint er oder sie im Saal, quasi aus dem Wohnzimmer fast schon im privaten Gespräch mit dem Publikum, das dann auch jeden Witz goutiert und sich amüsiert, wenn der Referent etwas übermüdet wegen des Zeitunterschiedes die Fragen des Moderators beantwortet.

Jeder Kongress hat seinen eigenen Charakter – wie eine Komposition sind es die einzelnen Bestandteile, die zusammenpassen müssen. Eine kahle Kongresshalle mit Holzstühlen und nur Kaffee in den Pausen ist heute zu wenig. Musik, Ambiente, nettes Personal sind hilfreich. Und doch ist es meist der Referent selbst, der ein gemeinsames gutes Gefühl erzeugt, ein gemeinsames Erleben möglich macht. Eine gute Moderation schließlich schafft einen verbindenen Rahmen.

Ach ja, ich wünsche mir mehr Referentinnen, ist doch schade, dass selbst im ganzheitlichen Themenbereich meist nur Herren dozieren (ich gelobe, dies auch mehr in meinen Interviews zu beherzigen. Es gibt so tolle Frauen!).

Herzlich

Thomas Schmelzer

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