Sefiroth

von Lexikon

Sefiroth (hebr.)

Der Begriff Sefiroth hat in der → Kabbala eine vielfältige Bedeutung, die wichtig für das Verständnis seines Gebrauchs sind. Deshalb sollen hier einzelne Bedeutungsgruppen des Wortes Sefiroth (Plural) oder Sefirah (Singular) dargestellt werden:
1. Ableitung vom Wortstamm S-PH-R (Saphar), das „Schrift“ und „Schreiben“ bedeutet;
2. die Bedeutung „zählen“, davon abgeleitet s’phar, „Zählung“, mispar, „Zahl“, später sephirah, „Zählung“, „Zahl“, wie im Buch „Sefer Jezirah“;
3. die Bedeutung „erzählen“, „künden“, wovon Sefirah die Nebenbedeutung „Bezeichnung“, „Kategorie“ erhält, die im „Sefer Jezirah“ ebenfalls mitklingt.
4. Ableitung vom griech. sphaira („Kugel“, „Wölbung“, „Kreis“, „Sphäre“), das vielleicht seinerseits ein semitisches Lehnwort ist und verwandt mit dem hebr. Sch-PH-R in der Bedeutung „den Himmel, die Zeltkuppel wölben“. Die neben der Baum- und Menschenfigur sehr beliebte Darstellung der Sefiroth als konzentrische Kreise erinnert an diese Ableitung und zugleich an die zehn Himmelssphären des pythagoreischen Weltsystems.
Die Idee der Sefiroth, ursprünglich in Form ineinander liegender Sphären vorgestellt, ist sehr alt und geht bis auf die Chaldäer zurück. Diese Vorstellung wurde von späteren Kabbalisten dann zum → Lebensbaum oder Sefirothbaum umgewandelt, weil hiermit auch innere Beziehungen der Sphären veranschaulicht werden können.
Das „Sefer Jetzirah“ nennt „32 geheimnisvolle Pfade der Weisheit, mit denen der lebendige Gott seinen Namen in die Schöpfung eingegraben hat“. Diese Pfade werden üblicherweise als die zehn Ziffern (Sefiroth) und die 22 Grundbuchstaben angesehen. Diese Übersetzung hat jedoch viele in die Irre geführt, die sich mit dem „Sefer Jetzirah“ beschäftigten. Der Kabbalist Carlos Suarès kommentiert denn auch, „dass man so die Anzahl von elektrischen Transformatoren mit ihrer elektrischen Spannung (Volt) zusammenzählen würde“. Seiner Meinung nach ist in der Zahl 32 ein geheimer Schlüssel enthalten, der die Tür zum Verständnis der ersten vier Sefiroth öffnet. Er dechiffrierte den Satz als „zweiunddreißig Elemente, welche die Energie des zeitlosen Lebens mit dem sichtbaren Universum verbinden“. Die 32 wiederholt sich in der Anzahl der (ausgeschriebenen hebr.) Zeichen der ersten vier Sefiroth, welche im „Sefer Jetzirah“ Energiezustände bezeichnen (→ Gnosis).
Die Grundthese der kabbalistischen Kosmologie ist das Konzept der Emanation (Ausströmung). Danach ist es die einzige Art, wie das Unendliche, Unerschaffene Licht (Ain Sof Avr) irgendetwas bewirkt, dass es die Schöpfung durch Emanationen aus seinem Wesen hervorbringt. Die Reihenfolge der Sefiroth ist demgemäß die Manifestation des Schöpfungswillens. Der Baum illustriert eine Stufenleiter der → Energie, die vom Ain Sof (dem unausprechlichen Nichts, → Nichtsein) ausgeht. Das Jod, die Zahl zehn, ist das kleinste Zeichen, aus dem alle anderen Zeichen geschaffen sind. Es ist der Anfangsbuchstabe des göttlichen Namens JHWH enthält und als Zahl zehn alle zehn Sefiroth. Jod ist der Punkt, aus dem alle anderen Schriftzeichen entstehen, selbst das Aleph.

Die Sefiroth

1 Kether Krone
2 Chochmah Weisheit
3 Binah Verstehen
4 Chesed Gnade
5 Geburah Strenge
6 Tipheret Schönheit
7 Netzach Sieg
8 Hod Herrlichkeit
9 Yesod Grundlage
10 Malchuth Königreich

Jede Sefirah hat einen Namen und eine Zahl, die ihre Stelle in der Schöpfung andeuten.

Der spirituelle Philosoph René Guènon schreibt in Bezug auf diesen Aspekt:

„Der Punkt ist tatsächlich das Symbol der Einheit; es ist das Prinzip (Urgrund) der räumlichen Ausdehnung, die nur durch seine Ausstrahlung existiert (die vorhergehende ‚Leere’, die nichts ist als reine Möglichkeit), die aber nur verständlich wird, wenn man sich selbst ins Zentrum versetzt. Die Emanation des Lichtes, die dem Raum seine Realität gibt, indem sie ‚etwas aus dem Nichts macht und aus dem Etwas Nichts’, ist eine Ausdehnung, der die Zusammenziehung folgt. … Das Licht (Avr) strahlt aus dem Geheimnis des Äther (Avir). Der verborgene Punkt war manifestiert, genau gesagt der Buchstabe Jod. Dieser Buchstabe stellt hieroglyphisch den Urgrund dar, und die anderen Zeichen des hebr. Alphabets sind aus ihm gebildet, eine Bildung, die nach dem ‚Sefer Jetzirah’ die manifestierte Welt selbst symbolisiert … Und als das Jod hergestellt war, sagt das ‚Sefer Jetzirah’, blieb vom Geheimnis des verborgenen Avir (Äther) das Avr (Licht) übrig.“ (René Guénon 1987, 26; zu Äther → Elemente)

Die erste Sefirah ist Kether, die Krone; ihr wird die verborgene Intelligenz zugeschrieben. Sie ist das Resultat der Konzentration des Unendlichen (Ain Sof Avr). Die Wurzel des Wortes JHVH (Jahwe bzw. Jehova, üblicherweise der jüdische und christl. Name Gottes) leitet sich von der Wurzel EHIEH ab, „sein“, „existieren“ (Exodus 3:14: „Ich werde sein, der ich sein werde“). JHVH ist das innere Licht, das Wesen im Menschen, das sich mit dem Unendlichen Licht verbindet. Aus diesem Zustand heraus sammelt sich das Licht wie in Kether in einem Brennpunkt.
Die zweite Sefirah, Chochmah, wird auch als erleuchtete Intelligenz oder Intellekt angesehen. Die dritte Sefirah ist Binah (Verstehen), die Verwirklichung des Bewusstseins. Es verwundert nicht, dass im → gnostisch-apokryphen Evangelium der Hebräer Jesus von „meiner Mutter, dem Geist“, spricht. Die Dreiheit der höheren Sefiroth entspricht so dem gnostischen Bild von Vater, Mutter und Sohn, der christl. → Trinität, wobei der hl. Geist das mütterliche Prinzip darstellt. Die weiteren sechs Sefiroth werden manchmal als die Dimensionen des Raumes gesehen, vergleichbar mit der german. Hagal-Rune, dem „Atem im hl. All“ (→ Runen). Zwischen der oberen Trinität und der mittleren befindet sich ein Abgrund, eine metaphysische Kluft, die anzeigt, dass der normale Intellekt höheren Erkenntnismitteln weichen muss, will er die Urprinzipien verstehen. Das Dreieck, das durch die weiteren drei Sefiroth gebildet wird, kann als Spiegelung des ersten Dreiecks gesehen werden (→ Zahlen, → Latifas).
Es gibt vier kabbalistische Welten oder Bewusstseinsdimensionen (→ Geist), deren jede den Lebensbaum enthält. Atziluth (Emanation), die erste Welt, ist die grenzenlose Welt der göttlichen Namen, die göttliche Welt; Briah (Schöpfung), die zweite Welt, ist die Erzengelwelt, die Welt des Geistes, die der zehnten Sefirah von Atziluth entspringt; Jetzirah, die dritte Welt, ist die Welt der Gestaltung, die Engel- oder Seelenwelt; und Assiah, die vierte Welt ist die Sphäre der Aktion, die körperliche oder natürliche Welt, in welcher in der Krone der höchste Gottesname EHIEH, „Ich bin“, steht. Diese vier Welten entsprechen auch den vier Welten der Sufis (→ Ibn Arabi; siehe auch → Gnosis).

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