Vergebung. Hierbei handelt es sich wohl um eine für viele Menschen am Schwierigsten zu praktizierenden Übung. Die Autorin teilt hier eigene Erfahrungen und bietet einen guten, stimmigen Weg an, sich mit dem Unversöhnbaren zu versöhnen.
Von Stefanie Will
Jemandem zu vergeben bedarf zunächst deiner Entscheidung darüber. Zudem ist es außerordentlich wichtig, dass du diesen Entschluss nicht nur theoretisch in dir vollziehen möchtest, weil du ein dir lästiges und kräftezehrendes Thema loswerden möchtest. Es sollte sich um eine ehrliche und aufrichtige Wahl deinerseits handeln, was voraussetzt, dass du gewillt bist, aufgrund einer in der Rückschau als äußerst schmerzhaft erlebten Situation, inneren und äußeren Frieden zu schließen.
Es bedeutet, das Geschehene zu verzeihen und keinerlei Gedanken der Richtigstellung, der Anklage, des Vorwurfes, der Vergeltung oder des Ersuchens auf Recht mehr zu verfolgen. Es bedeutet, die Vergangenheit ohne Einschränkung zu akzeptieren.
Vergebung bedeutet nicht, dass wir das Handeln der betreffenden Person für gut heißen und es bedeutet auch nicht, dass wir das Geschehnis mit unserer geistigen Haltung verdrängen. Wir nehmen es uneingeschränkt an! Wir entsagen dem Kampf und vollziehen tief in uns DEN Frieden, den wir uns wünschen. Unsere Entscheidung sollte nicht vom Verhalten unserer Mitmenschen abhängen, sie müssen es uns nicht gleich tun, sie müssen uns auch nicht verstehen, sie dürfen uns für “seltsam” halten, da man ihrer Meinung nach ein bestimmtes Verhalten einfach nicht verzeihen kann. Du bist jedoch nicht abhängig davon, was andere denken und wie andere Menschen eine Situation bewältigen würden.
Wie häufig sind Menschen untereinander zerstritten, sind wütend aufeinander, wollen einander nicht verzeihen, sprechen nicht mehr miteinander und halten somit das in der Vergangenheit Erlebte lebendig. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, belogen, betrogen, verlassen, verletzt und was es sonst noch alles an unangenehmen Erlebnissen und Empfindungen geben kann.
Viele sind nach Jahren noch verbittert, verärgert oder hadern mit ihren Erfahrungen. Sie können einfach nicht Loslassen.
Trägst auch du noch etwas mit dir herum, was lange vorüber ist und dich dennoch gedanklich gefangen hält? Dann lohnt es sich, dir dieses Thema einmal näher anzuschauen, um dich daraus zu befreien.
Versuche zunächst, den von dir erlebten Umstand, um den es geht, zu akzeptieren. Gebe dich den in dir vorherrschenden Emotionen hin, nehme sie an! Gebe all deinem Schmerz, deinem Unverständnis, deiner Traurigkeit, deiner Wut in dir einen Raum, um sich in gesamter Ausprägung zeigen zu dürfen. Es sind DEINE Empfindungen über die von dir als traurig, erschütternd, ungerecht oder verletzend empfundenen Lage, die beachtet werden möchten. Verschließe dich nicht gegenüber deinen Gefühlen! Sie unterstützen dich dabei, deine Erfahrung achtsam zu betrachten und dein Gewahrsein darüber zu verschärfen. Sei uneingeschränkt ehrlich zu dir selbst und betrachte einmal ohne Wertung, ob deine Empfindungen tatsächlich dieser Situation gegenüber angemessen sind oder ob noch ganz andere “Altlasten” hier hinein wirken und deine aktuell vorherrschenden Emotionen verstärken? Eine uneingeschränkte Ehrlichkeit dir selbst gegenüber ist hier unerlässlich.
Nachdem du dem Schmerz in dir nachgefühlt hast und das kann eine ganze Weile in Anspruch nehmen, du ihn nicht versucht hast abzuwehren, sondern wirklich mit jeder Faser deines Seins durchlebt hast, gilt es deine Gedanken diesbezüglich zu bändigen. Infolge des von dir durchlebten Prozesses geschieht dies häufig von ganz allein, der Schmerz und die Gedanken werden selbsttätig schwächer und lösen sich nach und nach ganz auf.
Wichtig ist hierbei dein Bewusstsein darüber, was deine Gedanken für dein Empfinden und deine Zukunft bedeuten. Denn das, weswegen du heute noch immer Leid verspürst, ist vorüber und Teil deiner Vergangenheit! Lasse nicht länger zu, dass etwas, das seit längerem vorbei ist, jeden weiteren Tag deiner Zukunft vergiftet. Du aktivierst in deinem Körper mit jedem Gedanken daran immer und immer wieder aufs Neue deinen Schmerzkörper. Er erinnert sich an seinen Schmerz! Du leidest genauso, als hätte die Gegebenheit gerade erst stattgefunden. Übernimm die Verantwortung für dein Wohlergehen und lasse es zu deinem eigenen Wohl erst gar nicht soweit kommen.
Du schadest nur dir selbst mit diesen destruktiven Gedanken an Vergangenes und begibst dich in eine Endlosschleife von Leid und bist weit weg davon, der betreffenden Person oder dir selbst zu vergeben. Oft ist es die Wut und das Unverständnis über das eigene Handeln oder Nicht- Handeln, wo es zu deinem eigenen Schutz wichtig gewesen wäre, was dich langfristig nicht zur Ruhe kommen lässt.
Mit der stetigen Aktivierung deiner negativen Gefühle treten die körperlichen Empfindungen erneut zu diesem längst vergangenen Thema auf. Du bindest dich zudem an die Person, die diese unguten Emotionen in dir wach gerufen hat. Das, was du fühlst und was sich in dir rührt, war indessen schon vor dieser Erfahrung in dir vorhanden. Nicht dieser Mensch, um den es gerade in deiner Erinnerung geht, hat dir das von dir als unzumutbar Bewertete zugefügt. Dieser hervorkommende Schmerz ist nicht neu, er wurde lediglich neu in dir entfacht. Diesen Schmerz kanntest du bereits aus früheren Zeiten und da er zum damaligen Zeitpunkt nicht erlöst werden konnte, tritt er abermals zum Vorschein.
Gehe sanft mit dir um und versuche das Erlebte und die als äußerst schmerzvoll empfundene Konstellation anzunehmen und erkenne deine Eigenverantwortung für das Geschehnis. Nehme auch deine zu Anfang immer wieder kehrenden Gefühle diesbezüglich an und schaue genau hin, was diese dir vermitteln wollen und wo es wichtig wäre in Zukunft uneingeschränkt ehrlich und achtsam mit dir selbst umzugehen. Oft erinnern wir uns im nach hinein an viele erfolgten Hinweise, die bereits in der Vergangenheit hätten vermuten lassen können, dass es zu einer schmerzhaften oder enttäuschenden Erfahrung kommen kann, die wir zu diesem Zeitpunkt einfach nicht sehen wollten. Unsere Täuschung u?ber einen Menschen oder Umstand wird dann infolge ENT-TÄUSCHT!
Versuche die Person, um die es geht, in Liebe loszulassen. Wirklich in Liebe!
Wenn sich Widerstand in dir regt, schaue genau hin, warum es dir so schwer fällt, von diesem Schmerz endgültig Abschied zu nehmen. Viele Menschen können nicht vergeben, da sie stets einen Schuldigen für ihre eigenen Gedanken und Gefühle benötigen, um sich hierdurch kurzzeitige Erleichterung zu verschaffen, wenn sie die “Schuld” ihrem Gegenüber zu schieben. Diese Menschen leben (noch) nicht in einer eigenverantwortlichen Weise.
Versuche frei zu werden von Wut, Verärgerung, Groll, Eifersucht oder was es auch sein mag. Versuche jedem Menschen, der dich deiner Meinung nach verletzt hat (in Wirklichkeit kann dich niemand verletzen), zu vergeben. Vergib ihnen und dir selbst jede Situation, die du besser hättest erleben oder klären können.
Bleibe stets im Frieden und in der Liebe. Praktiziere dies für dich, denn es kommt deiner Seele, deinem Körper und deinem Geist zugute.
Denn letztendlich hast du der Erwartung des “Anderen” oder der “Andere” deiner Erwartung nicht entsprochen.
Somit liegt die Ursache für Enttäuschung nur in jedem Menschen selbst. Der Andere trägt keine Schuld. Es liegt immer an dir, wie du mit der jeweiligen Erfahrung umgehen kannst und wie reflektiert und bewusst du dabei bist.
Bleibe in der Eigenverantwortung für alles, was geschieht und werde dir der umfangreichen Auswirkungen deiner geistigen Ausrichtung auf dein Leben bewusst.
Artikel und Foto: Stefanie Will
Stefanie Will ist freie Autorin und spirituelle, psych. Lebensberaterin. In ihrem Blog und in persönlichen Beratungen gibt sie ihre persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse weiter, um Menschen auf ihrem individuellen sowie spirituellen Weg zu begleiten.