Viele Kritiker der Spiritualität meinen, Spiritualität sei ein veraltetes Konzept, das seine eigentliche Rechtfertigung längst verloren hätte. Dabei wird in der Regel das visionäre Moment aller Spiritualität übersehen, das doch die eigentliche und überzeitliche Bedeutsamkeit des Phänomens Spiritualität auch gegenüber der schärfsten Kritik verdeutlicht: Alle großen spirituellen Leiter der Vergangenheit, zeichneten sich durch den visionären Charakter ihrer Handlungen aus.
Seien es nun Männer wie David oder Salomo, die als Könige auch spirituelle Leiter ihres Volkes waren und Israel zu wirtschaftlicher wie politischer Größe führten, oder Männer wie Martin Luther und Calvin, eines ist allen erfolgreichen spirituellen Dienstleistern – wenn wir es einmal in unserer postmodernen Spreche sagen dürfen – gemeinsam: Sie begnügen sich nicht mit dem, was der aktuelle Status quo ist. Und sie erlauben es sich, ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen.
Vielleicht ist es eines der wesentlichsten Momente des Glaubens, dass er Menschen dazu veranlasst nicht nur über sich selbst, sondern auch über das zu ihrer Zeit für möglich Gehaltene hinauszuwachsen. Spiritualität bietet eine Vielzahl von Techniken und Methoden an, die uns dabei helfen, einen positiven Einfluss auf die innersten Regungen unserer Geistes, unserer Psyche und unserer Persönlichkeit zu nehmen. Ja, man könnte sagen, sie versetzt uns dazu in die Lage, unser je und je besseres Ich – unseren inneren Meister – von den Fesseln gesellschaftlicher Konventionen, Ängste oder tiefgreifender persönlicher Gebundenheiten zu befreien. Sie kehrt gewissermaßen das Göttliche in uns zum Vorschein und hilft uns, als geistige Leuchttürme in unserer Zeit Menschen den Weg der Hoffnung und des Angenommen-Seins zu zeigen.
Für mich besteht eine der spektakulärsten Eigenschaften der Spiritualität gerade in der unscheinbaren Botschaft: Das Leben will dich. Wo die ganze Gesellschaft, die Kultur in der wir leben uns nach ihrem Gutdünken verbiegen und verformen will, da hilft uns die Spiritualität dabei, unseren eigenen Weg zu gehen – und etwas zu zeigen, das heute von vielen als verlorene Eigenschaft einer alten Zeit angesehen wird: Rückgrat. Ja, mag uns der Wind des kollektiven Zweifels auch noch so rau ins Gesicht wehen. Wenn wir das innere Leuchten des Heiligen Geistes in unserem Herzen fühlen, dann wissen wir, dass wir gerade auf diesem steilen und schmalen Weg, den wir gehen, richtig sind. Und erklimmen munter weiter jeden noch so unerklimmbar scheinen Gipfel der geistigen Welt. Und ab und zu rufen wir den vermeintlichen Größen unserer Gesellschaft, den Stars und Sternchen am Gipfel des Erfolgs zu: „Was macht ihr da unten eigentlich?“ Und genießen die tolle Aussicht.
Die Position von Spiritualität und Glaube ist in unserer Zeit durchaus nicht unumstritten. Denn gerade die erklärten Vertreter von Toleranz und Fun-Kultur erweisen sich als durchaus intolerant und wenig vergnüglich gegenüber allem, was nicht ihrer – zumeist unspirituellen – Ansicht ist. Und die Vertreter der großen Kirchen werden nicht müde zu betonen, wie problematisch das Phänomen „Patchwork Spiritualität“ doch sei. Aber wissen sie was? Gott liebt die Vielheit – und deshalb denke ich, gefällt ihm auch ein wenig Patchwork ab und an recht gut. Und wir sind nicht die Einzigen, denen es so ergeht. Auch Jesus und Buddha lagen mit Vertretern der zu ihrer Zeit vorherrschenden Kultur – der religiösen und der politischen – in einer Art unbeabsichtigtem Clinch. Warum sollte es spirituellen Vordenkern unserer Zeit da also anders ergehen? Osho sagt dazu sinngemäß: „Der Osten ist böse auf mich, weil ich in seinen Augen eine Form von Geschäft betreibe. Und der Westen ist böse auf mich, weil ich eine Form von Spiritualität bringe. Also was nun? Ich mache einfach weiter und genieße meine wundervolle Dusche.“ Spiritualität ist also durchaus visionär – auch wenn sie weder von den Vertretern der Nicht-Spiritualität noch von den Vertreten der geistigen Tradition verstanden wird. Und sie freut sich bisweilen einfach auch einfach über die Funktionalität ihrer Badezimmer. Denn wie gesagt: echte Spiritualität sieht die Sache positiv. Und das ist auch gut so.
Kern des ganzen Schriebs hier ist, dass wir durch die Spiritualität die Kraft haben, weiterzugehen und alle Kritik an ihr – die oft auch (warum weiß ich nicht) zur Ablehnung unserer Person von Seiten der „Unspirituellen“ wird – links liegen zu lassen und frohen Mutes weiterzumachen. Und während wir uns dieses Faktums bewusst sind, huscht ein gelassenes Lächeln über unserer Lippen. Denn eines wissen wir: Gerade weil die Spiritualität eine ungeahnte visionäre Kraft in sich birgt, wird die Kultur der Zukunft mit Sicherheit noch spiritueller als alle anderen Kulturen jemals zuvor. Ich freue mich schon darauf. Und Sie?
Autor: Markus Zeitlhofer, www.hohe-feste.at