Wenn Eltern Verletzlichkeit zeigen – Brené Brown

von Thomas
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Die Psychologin und Autorin Brené Brown beschreibt in Ihrem neuesten Buch „Verletzlichkeit macht stark“, wie Verletzlichkeit uns hilft, offener, lebendiger und entspannter im Leben zu sein. In diesem Auszug geht sie auf die Familie ein – auch hier kann man lernen, offener und sensibler miteinander umzugehen. Dieser Mut zu mehr Mitgefühl wird durch ein liebevolleres Miteinander belohnt.

Von Brené Brown

Bevor ich diesen Abschnitt schrieb, breitete ich meine Daten im gesamten Esszimmer aus und fragte mich: Was erleben Eltern als den heikelsten und mutigsten Punkt bei ihren Bemühungen, aus tiefstem Herzen lebende Kinder zu erziehen? Ich dachte, das würde Tage dauern, um es herauszufinden, doch als ich die Feldnotizen durchging, war die Antwort klar: Am schwierigsten ist es für uns Eltern zuzulassen, dass unsere Kinder ihre eigenen Kämpfe ausfechten und Widrigkeiten erleben.

Bei meinen Reisen quer durchs Land zeigte sich, dass die Sorge auf Seiten von Eltern und Lehrern wächst, die Kinder würden nicht lernen, mit Widrigkeiten und Enttäuschungen umzugehen, weil wir sie immer aus schwierigen Situationen herausholen und sie beschützen. Interessanterweise äußern diese Sorge vor allem jene Eltern, die sich ununterbrochen in die Angelegenheiten ihrer Kinder einmischen und sie Kinder überbeschützen. Es ist nicht so, dass unsere Kinder schwierige Situationen nicht aushalten könnten.

Vielmehr sind wir es, die die Ungewissheit, das Risiko und die emotionale Blöße nicht ertragen, selbst wenn wir wissen, dass es das Richtige wäre, nicht immer einzugreifen. Früher hatte ich sehr damit zu kämpfen, loszulassen und meinen Kindern zu erlauben, dass sie ihren eigenen Weg finden. Doch etwas, was ich durch die Forschung gelernt habe, hat meine Sicht hier entscheidend verändert, und ich betrachte das ständige Rettenwollen und Sicheinmischen jetzt nicht mehr nur als wenig hilfreich, sondern sogar als gefährlich. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin noch nicht damit durch und schreite manchmal immer noch ein, obwohl ich es mir verkneifen sollte, aber ich denke jetzt zweimal nach, bevor ich zulasse, dass mein Unbehagen mein Verhalten diktiert. Der Grund ist dieser: Hoffnung ist eine Funktion des inneren Kampfs. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder ein hohes Maß an Hoffnung entwickeln, müssen wir sie kämpfen lassen. Und glauben Sie mir: Neben Liebe und Zugehörigkeit gibt es vielleicht nichts, was ich mir für meine Kinder mehr wünsche, als ein tiefes Gefühl der Hoffnung.

Erfahrung mit Widrigkeiten, die Entwicklung einer gewissen Zähigkeit und die Fähigkeit, die Zähne zusammenzubeißen, kristallisierten sich in meiner Forschung als wichtige Qualitäten in einem Leben aus tiefstem Herzen heraus. Ich war ungemein dankbar, das herauszufinden, denn das war eine der wenigen Eigenschaften in einem solchen Leben, die ich damals aufwies. (Man erinnere sich an die Einleitung: Ich hatte zwei von zehn Punkten.) Als ich die Fachliteratur heranzog, um nach einem Konzept zu suchen, das alle diese Elemente in sich vereinigte, stieß ich auf C. R. Snyders Forschung über Hoffnung.65 Ich war bestürzt. Erstens hielt ich Hoffnung für eine laue, verschwommene Emotion – das Gefühl, man hätte noch irgendeine Option. Zweitens suchte ich nach etwas, was ich mir als kämpferisch vorgestellt und »Plan B« getauft hatte: Ich dachte, diese Leute, die die Hoffnung nicht aufgäben, könnten stets zu einem Alternativplan greifen, wenn Konzept A nicht funktionierte.

Wie sich herausstellen sollte, irrte ich mich, was die laue Emotion anbelangt, und hatte recht, was das Kämpferische und die Sache mit Plan B betrifft. Snyder zufolge, der sich diesem Thema beruflich gewidmet hat, ist Hoffnung keine Emotion; sie ist eine Art zu denken oder ein kognitiver Prozess. Emotionen spielen eine unterstützende Rolle, aber Hoffnung ist in Wirklichkeit ein gedanklicher Prozess, der aus etwas besteht, was Snyder als »Trilogie von Zielen, Wegen und Handlungskompetenz« bezeichnet.

Ganz einfach ausgedrückt, entsteht Hoffnung, wenn

  • wir die Fähigkeit haben, uns realistische Ziele zu setzen (»Ich weiß, wo ich hinwill«);
  • wir imstande sind, uns zu überlegen, wie wir diese Ziele erreichen können, wozu auch die Fähigkeit gehört, flexibel zu bleiben und alternative Wege zu beschreiten (»Ich weiß, wie ich dort hinkomme, ich bin beständig, und ich kann Enttäuschungen
  • verkraften und es noch einmal probieren«);
  • wir an uns selbst glauben (»Ich schaffe das!«).

Hoffnung ist also eine Kombination aus verschiedenen Elementen: Es geht darum, sich ein Ziel zu setzen, man braucht Beharrlichkeit und Ausdauer, um das Ziel auch zu verfolgen, und den Glauben an unsere eigenen Fähigkeiten. Hoffnung »ist« Plan B!

Und nun folgt die Aussage, die mich dazu bewogen hat, mich mit meiner eigenen Verletzlichkeit auseinanderzusetzen, um beiseitezutreten und meinen Kindern die Chance geben zu können, einige Dinge selbst zu bewältigen: Die Fähigkeit zur Hoffnung wird durch einen Lernprozess erworben! Snyder zufolge erlernen die Kinder dies am häufigsten von ihren Eltern. Um diese Lernerfahrung machen zu können, benötigen Kinder Beziehungen, die von klaren Rahmen, Beständigkeit und Unterstützung geprägt sind. Kinder mit einem hohen Grad an Hoffnungsfähigkeit haben Erfahrungen mit widrigen Umständen überstanden. Sie haben die Gelegenheit gehabt, mit Problemen zu kämpfen, und dabei gelernt, an sich selbst zu glauben.

Kinder aufzuziehen, die Hoffnung und den Mut haben, verletzlich zu sein, heißt, dass wir beiseitetreten und sie Enttäuschungen erleben lassen, zulassen, dass sie mit Konflikten umgehen, lernen, sich selbst zu behaupten, und die Möglichkeit haben zu versagen. Wenn wir unseren Kindern immer in die Arena folgen, ihre Kritiker zum Schweigen bringen und dafür sorgen, dass sie siegen, werden sie nie lernen, dass sie die Fähigkeit haben, selbst etwas Großes zustande zu bringen.

Eine meiner besten Lektionen in diesem Zusammenhang stammt von einem Erlebnis, das ich mit Ellen hatte. Es fing damit an, dass ich in der Schlange der Autos, die kamen, um die Kinder vom Schwimmen abzuholen, an zehnter Stelle stand. Es dämmerte schon, sodass ich nur Ellens Silhouette ausmachen konnte, aber das reichte. An der Art, wie sie dastand, spürte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie schwang sich auf den Beifahrersitz, und noch bevor ich eine Frage zum Training stellen konnte, brach sie in Tränen aus.
»Was ist denn passiert? Was ist mit dir los? Ist alles in Ordnung?«
Sie starrte aus dem Fenster, holte tief Luft, während sie sich die Tränen mit dem Ärmel ihres Hoodys abwischte, und antwortete:
»Ich muss beim Hundert-Meter-Brustschwimmen im Wettkampf am Samstag mitmachen.«

Ich wusste, dass das in ihrer Welt etwas richtig Schlimmes war, also versuchte ich, nicht erleichtert zu wirken – obwohl ich es natürlich war, denn bei meiner für mich normalen Verrücktheit hatte ich bereits geglaubt, etwas wirklich Schreckliches wäre geschehen.
»Du verstehst das nicht. Brustschwimmen kann ich nicht. Ich bin ganz schlecht darin. Du begreifst es nicht. Ich hab ihn angefleht, mich nicht auf die Liste zu setzen.«

Ich war schon dabei, etwas Empathisches und Ermutigendes zu antworten, während wir in die Einfahrt fuhren, als Ellen mir direkt in die Augen schaute, ihre Hand auf meine legte und sagte: »Bitte, Mom. Bitte hilf mir. Ich werde noch schwimmen, wenn die anderen Mädchen schon das Wasser verlassen haben und die nächsten sich auf die Startblöcke stellen. Ich bin wirklich so langsam.«

Ich konnte nicht schlucken. Ich konnte nicht klar denken. Plötzlich bin ich wieder zehn und stehe auf dem Startblock, um für das Memorial-Northwest-Marlins-Schwimmteam zu schwimmen.
Mein Vater gibt das Startsignal und wirft mir den »Gewinn-oderstirb«-Blick zu. Ich starte in der Außenbahn – der langsamen Bahn.

Das wird eine Katastrophe werden. Einige Augenblicke vorher, als ich auf der Wartebank saß und überlegte, ob ich mich nicht auf meinem Rad mit dem Bananensattel davonmachen sollte, das am Zaun in der Nähe des Sprungbretts lehnte, hatte ich den Trainer sagen gehört: »Lass sie einfach eine Altersgruppe höher schwimmen. Ich bin mir nicht sicher, dass sie den Wettbewerb schafft,
aber es wird ein interessantes Experiment sein.«

»Mom? Mom? Mom! Hörst du mir überhaupt zu? Wirst du mir helfen? Wirst du mit dem Trainer sprechen und dafür sorgen, dass er mich bei einem anderen Wettkampf einsetzt?« Die Verletzlichkeit fu?hlte sich unerträglich an, und ich wollte am liebsten laut schreien: »Natürlich! Du musst nirgendwo mitschwimmen, wo du nicht mitschwimmen willst. Niemals!« Aber ich tat es nicht. Ruhe war eine meiner neuen Übungen für ein Leben aus tiefstem Herzen, deshalb atmete ich tief durch, zählte bis fünf und sagte: »Lass mich mit deinem Vater sprechen.«

Nachdem die Kinder im Bett waren, debattierten Steve und ich eine Stunde lang über die Angelegenheit und kamen schließlich überein, dass sie sich auf ihren Trainer einlassen müsse. Wenn er wollte, dass sie an dem Wettkampf teilnahm, musste sie das tun.

Auch wenn ich fühlte, dass die Entscheidung richtig war, war sie mir zutiefst zuwider, und ich versuchte alles – von einem Streit mit Steve bis hin dazu, dass ich den Trainer verfluchte –, um meine Angst und Verletzlichkeit loszuwerden.

Ellen regte sich auf, als wir ihr unsere Entscheidung mitteilten, und sie regte sich noch mehr auf, als sie vom Schwimmtraining nach Hause kam und uns sagte, ihr Trainer meine, es sei wichtig für sie, die Strecke innerhalb des üblichen Zeitlimits zu schwimmen. Sie kreuzte die Arme auf dem Tisch, legte den Kopf darauf und weinte. Irgendwann hob sie ihren Kopf und sprach: »Ich könnte den Wettkampf ja auch einfach schwänzen. Viele fehlen beim Ausscheidungskampf.« Insgeheim wollte ich schon denken: »Das ist ja die perfekte Lösung!« Aber dann fügte sie hinzu: »Ich werde nicht gewinnen. Ich schaffe es nicht einmal auf den zweiten oder dritten Platz. Jeder wird es mitbekommen.«

Das war die Gelegenheit, den Hebel umzulegen. Unserer Familienkultur mehr Macht zu geben als dem Schwimmwettkampf, ihren Freunden und der von ultrastarkem Konkurrenzdenken geprägten Sportkultur, die in unserer Gemeinde an der Tagesordnung ist. Ich sah sie an und sagte: »Du kannst schwänzen. Ich ürde das
auch in Erwägung ziehen. Aber was wäre denn, wenn dein Ziel bei diesem Wettkampf nicht darin bestünde, zu gewinnen oder wenigstens zur gleichen Zeit aus dem Wasser zu kommen wie die anderen Mädchen? Was, wenn dein Ziel ist, mitzumachen und nass zu werden?«

Sie schaute mich an, als ob ich nicht ganz klar im Kopf wäre:
»Einfach mitmachen und ins Wasser steigen?«

Ich erklärte ihr, dass ich viele Jahre lang versucht hätte, nie etwas zu tun, was ich nicht wirklich gut beherrschte, und dass mich dieses Vorgehen fast hätte vergessen lassen, wie man sich fühlt, wenn man mutig ist. Ich sagte: »Manchmal ist das Mutigste und Wichtigste, was du tun kannst, einfach mitzumachen.«

Steve und ich achteten darauf, dass wir nicht bei ihr waren, während ihr Wettkampfteam aufgerufen wurde. Als die Mädchen auf die Startblöcke gingen, war ich mir nicht sicher, ob sie dabei sein würde, aber sie war dabei. Wir standen am Ende der Bahn und hielten den Atem an. Sie schaute uns an, nickte und setzte ihre Schwimmbrille auf.

Sie war die Letzte, die aus dem Wasser kam. Die anderen Schwimmerinnen hatten die Terrasse längst verlassen, und die Mädchen für den nächsten Wettkampf standen bereits auf den Startblöcken. Steve und ich feuerten sie die ganze Zeit an. Als sie aus dem Wasser kam, ging sie zu ihrem Trainer, der sie umarmte und ihr etwas über ihren Beinschlag sagte. Als sie schließlich zu uns kam, lächelte sie und hatte feuchte Augen. Sie schaute ihren Vater und mich an und sagte: »Das war ziemlich schlecht, aber ich habe es gemacht. Ich habe mitgemacht und bin nass geworden. Ich war tapfer.«

Ich habe das folgende Erziehungsmanifest verfasst, weil ich es brauche. Steve und ich brauchen es. Das ständige Vergleichen in einem Umfeld zu unterlassen, in dem der Erwerb von Gütern und Leistung als Maßstab für den Wert eines Menschen gilt, ist nicht einfach. Ich verwende das Manifest als Sprungbrett, als Gebet und Meditation, wenn ich mit Verletzlichkeit zu kämpfen habe oder wenn mich die Angst überkommt, »nie gut genug zu sein«. Es erinnert mich an meine Erkenntnis, die mein Leben verändert und vermutlich gerettet hat – wer wir sind und die Art, wie wir uns verhalten, hat mehr Einfluss darauf, wie gut unsere Kinder dereinst zurechtkommen
werden, als das, was wir theoretisch über Erziehung wissen:

Manifest der Erziehung aus tiefstem Herzen

  • Vor allem möchte ich, dass du weißt, wie sehr du geliebt wirst und wie liebenswert du bist.
  • Du wirst dies durch meine Worte und Taten erfahren – die Lektionen in Liebe zeigen sich darin, wie ich dich behandle und wie ich mit mir selbst umgehe.
  • Ich möchte, dass du dich mit einem angemessenen Selbstwertgefühl auf das Leben einlässt.
  • Du wirst lernen, dass du Liebe, ein Zugehörigkeitsgefühl und Freude verdienst – jedes Mal, wenn du siehst, wie ich mir selbst Mitgefühl entgegenbringe und meine eigenen Unvollkommenheiten annehme.
  • Wir werden in unserer Familie Mut beweisen, indem wir mit offenem Visier am Leben teilnehmen und Verletzlichkeit zulassen.
  • Wir werden die Geschichten, die von unseren Schwierigkeiten und Stärken handeln, miteinander teilen. Bei uns zu Hause wird immer Platz für beides sein.
  • Wir werden dich Mitgefühl lehren, indem wir als Erstes Mitgefühl mit uns selbst üben und dann miteinander. Wir werden Grenzen setzen und respektieren. Wir werden harte Arbeit, Hoffnung und Ausdauer hochhalten. Ruhephasen und Zeit für Spiele werden in unserer Familie hoch gewertet und gelebte Praxis sein.
  • Du wirst Verantwortlichkeit und Respekt lernen, indem du mich dabei beobachtest, wie ich meine Fehler wiedergutmache, wie ich um das bitte, was ich brauche, und über das spreche, was ich fühle.
  • Ich möchte, dass du Freude kennenlernst, deshalb werden wir uns gemeinsam in Dankbarkeit üben.
  • Ich möchte, dass du Freude empfindest, deshalb werden wir gemeinsam lernen, verletzlich zu sein.
  • Wenn die Ungewissheit und der Mangel an die Tür klopfen, wirst du imstande sein, Kraft zu schöpfen aus dem Geist, der in unserem Alltag herrscht.
  • Gemeinsam werden wir weinen, mit Angst und Leid konfrontiert werden. Auch wenn ich den Wunsch habe, dir deinen Schmerz zu nehmen, werde ich stattdessen lieber bei dir sitzen und dich lehren, ihn zu durchleben.
  • Wir werden lachen, singen, tanzen und kreativ sein. Wir werden immer die Erlaubnis haben, authentisch und wir selbst zu sein, wenn wir zusammen sind. Was auch immer geschieht, du wirst immer zu uns gehören.
  • Das größte Geschenk, das ich dir für deine eigene Reise in ein Leben aus tiefstem Herzen mitgeben kann, ist, selbst aus tiefstem Herzen zu leben und zu lieben und Großes zu wagen.
  • Ich werde nicht perfekt sein in meiner Liebe oder wenn ich dich lehre und dir etwas zeige, aber ich werde dir gegenüber offen sein, und ich werde es immer als heiliges Geschenk betrachten, dich zu sehen. Dich wahrhaft und tief zu sehen.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch:

Brown-Cover

Brené Brown: „Verletzlichkeit macht stark – Wie wir unsere Schutzmechanismen aufgeben und innerlich reich werden“
Kailash Verlag

gebunden, 320 Seiten
ISBN: 9783424630794
€ 17,99

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1 Kommentar

Franz Josef Neffe 26. November 2013 - 12:25

Ich bin einmal vom 20jährigen Bruder eines Schülers „angegriffen“ worden. Es war beim Sonnwendfeuer. Er stand in einer Gruppe, jeder den Maßkrug in der Hand. Offensichtlich war es für ihn eine „Mutprobe“. Er kam, ergriff mich vorn unterm Hemdkragen und sagte mir, dass ich mit seinem Bruder alles verkehrt gemacht habe.
Die ganze Geschichte will ich jetzt hier nicht ausbreiten, aber ich gab ihm Recht und fragte, was er an meiner Stelle getan hätte. Er wusste es nicht.
Im folgenden hatten wir ein gutes Gespräch, in dem ich ihm eine wichtige Rolle zur Förderung seiner jüngeren Geschwister anbot, die bei mir in die Klasse gingen. Er sollte sie nur täglich einmal ermutigen und anerkennen. Schließlich ließ er mich los, entschuldigte sich und bedankte sich für das Gespräch.
Später erzählte ich das Erlebnis u.a. meinem Ausbilder. Der meinte, ich hätte nie zugeben dürfen, dass ich einen Fehler gemacht habe; dadurch würde ich jeden Respekt verlieren.
Er hatte – so gut sind wir offenbar konditioniert – gar nicht gehört, wieviel Respekt ich GEWONNEN hatte.
Solche Erlebnisse sind Schlüsselerlebnisse für die neue Ich-kann-Schule.
Es wird Zeit, dass wir aus unserem gebetsmühlenartigen Wiederholen pädagogischer Vorgaben, aus der Trance erwachen und uns endlich auf einen NICHT REDUZIERTEN sondern VOLLSTÄNDIGEN Umgang mit der ORIGINALEN REALITÄT einlassen.
Ich wünsche allen besten Erfolg dabei; er ist not-wendig und möglich.
Franz Josef Neffe

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