Mit dieser Inspiration zur Selbsterforschung anhand von Zeichnungen und Kurztexten wird Ihnen vielleicht bewusst werden, wie vielschichtig Wahrnehmung ist. Und obwohl wir bei dieser Übung so manche Sinne nicht einbeziehen, wie das Gehör oder den Tast- und Geschmackssinn, bilden sich visuelle Impulse aus unserem Inneren bereits als äußerst vielsagend ab.
von Christian Salvesen
Wo ist der, der hier gesehen wird?
Wie können wenige Striche eine Person erschaffen?
Was wirkt da gerade?
Was ist Bewusstsein?
Jean Paul Sartre schreibt in seinem ersten philosophisch-phänomenologischen Werk L’Imaginaire:
„Die Imagination ist ein Bewusstseinsakt, der ein abwesendes oder nichtexistierendes Objekt in seiner Körperlichkeit anvisiert‚ durch einen physischen oder psychischen Inhalt hindurch, der sich nicht als solcher, sondern als ‚analoger Repräsentant‘ des anvisierten Objektes gibt.“
Das Mysterium
liegt für mich vor allem darin, dass überhaupt etwas ist. Das haben schon viele gesagt. Doch der eigentliche Punkt ist, dass ich es erlebe, jetzt. Und da ist das nächste, unerklärliche Geheimnis: Ich bin mit all dem Sein vollkommen allein. Worte sind da wie Dampfwalzen, mit denen ich Blumen aufrichten möchte. Durch die gemeinsame Sprache entsteht die fast perfekte Täuschung, da wären unzählige andere Menschen mit mir in einer einzigen, gemeinsamen Welt.
Doch gerade bin ich wieder mal aus einem Traum aufgewacht, wo ich mich mit anderen über die wunderbare Landschaft ringsum unterhielt. Gerade eben, von der Uhrzeit her sind nur wenige Minuten oder gar Sekunden vergangen, war ich 100 Prozent überzeugt: Was da geschieht ist real! Allerdings habe ich das nicht kritisch beleuchten können. So wie ich auch jetzt, wo ich doch ganz klar wach bin, nicht fühle, dass ich womöglich nur träume – und dass es daraus ein Erwachen gibt, wie der Buddha lehrt.
So gibt es eine Parallele zwischen dem Träumen im nächtlichen Schlaf und dem Träumen jetzt, das mir als Wachsein erscheint.
Dies ist mein eigenes Unternehmen und Bemühen aufzuwachen. Ich tu es für mich selbst, auch wenn es vergeblich sein sollte.
Ein kleines Gedicht…
Ist wie ein Gericht
Es kann gut schmecken
Und auch verdecken
Was richtig ist.
Auf der Suche nach der Wahrheit
Bin ich immer nur ein Tor
Steh mal aufgeregt davor
Oder auch dahinter – Mahlzeit!
Am Abgrund
Ich bin in jedem Moment am Abgrund
Und geniesse den Fluß des Lebens.
Oh, da, ein Hinderniss!
Schnell drum herum
Bin ja nicht dumm!
Zu spät ists immer
Oder nie.
Wo das hinführt, kann ich nicht sehen!
Macht nichts, der Abgrund ist auch blind.
Wer mich selbst mag bitte melden!
Es war einmal ein Prinz
Der hieß „Froschiskus“
Er gab nicht nach,
Bis sein Name geändert wurde
In?
(Eine Aufgabe zur Selbsterforschung)
Wie ich vorwärts gehe
Hier habe ich den Zeichenstift auf einem Blatt Papier angesetzt und mit geschlossenen Augen gezeichnet. Es könnte einen Weg darstellen.
So auch meinen Weg.
Es ist einen Versuch wert.
Das Kleingeschriebene dazu lautet:
Der Verlag übernimmt keine Verantwortung für mögliche Fehlschläge.
Wie ich rückwärts gehe
Einfach mal ausprobieren!
Die Zeit läuft rückwärts
Das ist kein Scherz
Ich merke es im Herz
Es schlägt nicht mehr.
Die selbstüberhöhte Stadt
Auch eine ganze Stadt kann sich selbst so sehr überhöhen
Dass sie sich als Wolke erhebt und woanders abregnet.
Es war so heiß im Himmel oben
Das klingt jetzt sicher recht verschroben
Ich hörte wie die Engel proben
Das Halleluja war gelogen –
äh – verschoben – aufgehoben.
Beobachtung
„Ich sah, wie der Bursche mit dem Federhut eilig aus dem Hafen ruderte!“
„Was wollte er?“
„Mich entführen!“
„Wohin?“
„Auf eine einsame Insel!“
„Und was dann?“
„Er musste kotzen.“
„Wieso das?“
„Ich zeigte ihm meinen Spiegel.“
Wer das jetzt liest, schaut grade hin.
Der Verfremdungseffekt (V-Effekt) ist ein literarisches Stilmittel und Hauptbestandteil des Epischen Theaters nach Bertolt Brecht. Eine Handlung wird durch Kommentare oder Lieder so unterbrochen, dass beim Zuschauer jegliche Illusionen zerstört werden. So kann er der Theorie zufolge eine kritische Distanz zum Dargestellten einnehmen.
Der Verfremdungseffekt besteht im Kern darin, dem Betrachter vertraute Dinge in einem neuen Licht erscheinen zu lassen und so die Widersprüche der Realität sichtbar zu machen. (wikipedia)
Zwei in Eins
Sind wir nicht irgendwie alle gespalten? Nicht unbedingt in Dr. Jekyll und Mr. Hyde, aber doch ziemlich widersprüchlich. Was sich da immer wieder „Ich“ nennt, ist einem selbst manchmal nicht geheuer, oder?
Ein Lied:
Sind wir zu zweit, dann geh‘n wir weit ins Land der Ungeheuer.
Bin ich allein, dann bin ich mein ganz eignes Abenteuer
Sind wir zu dritt – dann ist der Ritt andächtig und besorgt.
Und im Quartett – da ist es nett, wenn niemand „storgt“
(Mischung aus „stören“, „borgen“ und „stalken“)
Fragen und Antworten
„Entsteht denn einfach alles so in diesem Augenblick aus dem Nichts, ohne jede Vorgeschichte, ohne dass irgendjemand etwas getan hat?“
„Objektiv nicht, doch unmittelbar in der Erfahrung, jetzt, ja, ganz genau!“
„Doch wie bin ich auf die Welt gekommen?“
„Jetzt? Keine Antwort, ein Mysterium. Früher? Der Ich-Identifikator springt an und zieht schnell eine Bahn über viele neuronale Verbindungen und erstellt ein Bild von einem Menschen, ziemlich schräge Type, würde ich sagen!“
Wie darf ich das verstehen?
Alle Bilder und Texte (c) Christian Salvesen. Viele weitere Bilder und Infos über seine Kunst finden Sie auf www.kunstundmehr.de
Über Christian Salvesen:
Er ist Autor, Künstler und Kenner der spirituellen Szene. 1951 in Celle geboren, Magister der Philosophie und Musikwissenschaften, Komponist und Musiker, arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist/Redakteur und hat etliche Bücher veröffentlicht, darunter „Advaita“ und „Liebe – Herz aller Weltreligionen“. In den 80ger Jahren leitete er in eigenen, erfolgreichen Rundfunksendungen beim WDR und NDR zur Meditation und zum Bewussten Hören an. Er lebt mit seiner kanadischen Ehefrau in der Nähe von München. Alles weitere erfahren Sie auf www.christian-salvesen.de
Buchtipps:
Christian Salvesen: „Stadtvögel und ähnliche Kreaturen“
Weitere Bücher von Christian Salvesen finden Sie hier.
2 Kommentare
Wir kennen Herrn Salvesen als ausgesprochen sensiblen Künstler und schätzen seine feinfühligen Arbeiten über die Maßen.
Danke für die Worte zum Mysterium …für mich sind sie keine Dampfwalzen … eher Dampfwolken: sie kreieren ein Gebilde aus Molekülen, welche die (was immer das ist) Realität durchdringen. Sie sind energetisch verbunden, stellen Brücken … über die wir im Besitz einer gemeinsamen Sprache gehen können (und zum Zweck des gemeinschaftlichen Daseins wohl auch müssen).
Und doch ist zwischen den Dampfpartikeln immer
un e n d l i ……….
viel Raum, den sie niemals vollständig werden beworten können.