Unser hektisches und leistungsorientiertes Alltagsleben entfremdet uns mehr und mehr von der Lebenswelt, der wir ursprünglich entstammen: der Natur. Der Wunsch nach einem bewussten, naturverbundenen Leben rückt wieder in den Vordergrund, um neben dem Alltag neue Erlebnisräume zu erschließen. Um wieder Kontakt mit unserer eigenen ursprünglichen Natur aufzunehmen, müssen wir Natur neu entdecken und uns ihrer Bedeutung in unserer heutigen Zeit bewusst werden.
von Tala Mohajeri
Seit frühester Kindheit lerne ich von der Natur, und ich bin immer wieder fasziniert, welche neuen Lebensräume sie uns offenbart, wenn wir uns ihr nur zuwenden. Als Heilpraktikerin versuche ich, den Menschen die Natur in ihrer unmittelbaren Umgebung näher zu bringen. Dabei sind mir das spirituelle Erleben der Natur und die Rückgewinnung der eigenen „Wildnatur“ ein wichtiges Anliegen.
Jeder Mensch ist eingebettet im ökologischen Gleichgewicht der Erde. Wir Menschen sind sichtbare Natur und wir sind verbunden mit ihrer vielfältigen Ausdruckskraft. Mensch-Tier-Pflanze-Mineralien – alles ist miteinander verbunden. Alles kommt von der Natur und kehrt wieder zur ihr zurück. Ich erlebe, aber sehr häufig, dass die Menschen sich nicht mehr als Teil dieses Gleichgewichtes begreifen. Dadurch baut sich eine Entfremdung zur eigenen Natürlichkeit und zu unserer Umwelt auf.
Vielleicht ist genau das einer der Gründe, warum wir in unserem Alltagsleben so unliebsam mit der Erde und unserer ganzen Um-(Mit-)welt umgehen. Nehmen wir Menschen uns nicht als wichtigen Teil des ökologischen Gesamtgleichgewichtes wahr, so verlieren wir auch jedwedes Gefühl dafür, uns für die Erde einzusetzen, und gleichzeitig kommt uns unsere Selbstachtung abhanden.
Betrachten wir heute das Ausmaß der Umweltzerstörung, dann könnte man meinen, der Mensch besitze die Macht, die Erde zu vernichten, und lassen wir diesen Prozess fortschreiten, dann berauben wir uns unserer Lebensgrundlage. Die Erde wird sich jedoch auch ohne uns weiterdrehen. Der Mensch hat nicht die Macht, die Erde zu zerstören. Ebenso ist es eine irrsinnige Annahme, wir Menschen seien die Krönung der Schöpfung.
Indem der Mensch Erdlandschaften verformt, Böden verseucht, Lebensräume und Artenvielfalt zerstört, greift er letztlich sich selbst an. Man könnte meinen, das menschliche Kollektiv leide an einer Autoimmunerkrankung. Unser Verhalten richtet sich gegen uns selbst. Darum ist es umso wichtiger, bewusst zu handeln. Die Natur nur als Ressource unserer Bedürfnisse zu begreifen, fördert den Raubbau an unserem Planeten.
Der Erdleib hat schlimmere Katastrophen überstanden als uns Menschen. Fakt ist, die Gesetze der Natur gelten für alle – auch für den Menschen.
Doch unser gegenwärtiges Handeln und das der vergangenen Jahrhunderte hat extreme Auswirkungen für die Zukunft. Es lohnt, sich jeden Tag aufs Neue zu fragen: Wie kann ich mein Verhalten zugunsten unserer Mitwelt verändern? Wie kann ich eine Verbindung zu Natur aufbauen?
Es gibt viele verschiedene Wege, sich für das Wohl unserer Urheimat Erde einzusetzen und sie für sich wiederzuentdecken. Kleine Schritte, wie zum Beispiel barfuß durch die Stadt zu gehen, Wildkräuter wachsen zu lassen, Flora und Fauna erkennen und benennen zu lernen; größere Schritte, wie Projekte der Hoffnung aufzusuchen, zielgerichtet ökologisch zu konsumieren und zu wirtschaften. Dabei ist es immer wieder wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass jede individuelle Heilung eines jeden Menschen immer auch ein Teil der Heilung des Ganzen ist.
So wie jeder Tropfen Wasser den Ozean nährt.
Ein weiterer wichtiger Schritt, um gegen dieses Gefühl der Verlorenheit anzugehen, das viele tief in sich spüren, besteht darin, sich der eigenen inneren Wildnatur wieder nähren. Was passiert mit uns, wenn wir unsere scheinbar zivilisierte Welt verlassen? Wenn wir einfach hinausgehen in die Natur. Alle unsere Sinne öffnen sich voller Verwunderung über die Artenfülle, die uns täglich umgibt. Wir erleben uns verbunden mit unserer Mitwelt, den Pflanzen, den Tieren, den Elementen. Wir fühlen die Luft in unseren Lungen und ehren jede Frucht, die durch die Jahreszeiten gereift ist.
Sich mit der Wildnis zu beschäftigen, führt zur Selbsterkenntnis. Wir nehmen eine neue Rolle gegenüber der Natur ein. Die Natur wird nicht mehr abgespalten und als außerhalb von uns wahrgenommen, sondern als etwas in uns. Indem wir selbst aktiv Verantwortung für unseren Ausdruck in der Welt und dessen Auswirkungen auf uns selbst und andere übernehmen, fördern wir unsere Gesundheit. Letztlich ist es die Hinwendung zur Natur, die uns heilt und hilft, uns als Mensch wieder wertzuschätzen.
Übung: Je langsamer wir werden, umso genauer können wir wahnnehmen und unsere Umgebung erkunden. Achtsames Wahrnehmen öffnet unseren Blick dafür, wieviel Schönheit uns tagtäglich umgibt.
Gehe vor deine Haustür und suche den nächsten Baum, die nächste Blume, den nächsten Busch, Vogel oder Wasserlauf auf. Schaue diesen Baum – oder wofür du dich entschieden hast – ganz genau an. Was genau gefällt dir an diesem Baum? Mache ihm Komplimente. Es ist eine wundervolle Übung, sich in Großherzigkeit zu üben. Der Baum könnte auch eine ältere Frau oder ein Kind sein. Wie fühlst Du Dich, wenn Du dieses Kompliment aussprichst?
Fotos: © Sebastian Fuchs
Tala Mohajeri: „Die Wildnis in dir. Entdecke Deine Einzigartigkeit“
Verlag: Irisiana 2017
Umfang: 192 Seiten
Preis: 19,99 €
ISBN-13: 9783424153231
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Über Tala Mohajeri
DIe Heilerin und Heilpflanzenexpertin beschäftigt sich seit Jahren mit dem spirituellen Erleben der Natur und der Rückgewinnung der eigenen „Wildnatur“. Durch Schulung der Wahrnehmung, der Suche nach Kraftplätzen und praktische Naturrituale finden Mensch und Natur wieder zu einer Einheit zusammen.